Holpriger Start des Flüchtlingspakts - EU-Kommission sagt Hilfe zu
Athen/Wien/Brüssel (APA/dpa/AFP) - Unter dem Druck eines kaum abreißenden Flüchtlingsandrangs hat Griechenland am Sonntag mit der komplizier...
Athen/Wien/Brüssel (APA/dpa/AFP) - Unter dem Druck eines kaum abreißenden Flüchtlingsandrangs hat Griechenland am Sonntag mit der komplizierten Umsetzung des EU-Türkei-Pakts begonnen. Dabei zeigten sich bereits erhebliche Startprobleme: „So ein Plan lässt sich nicht in 24 Stunden in die Tat umsetzen“, betonte ein Sprecher des nationalen Krisenstabes im griechischen Fernsehen.
Laut Kommission benötigt das krisengeschüttelte Land an der EU-Außengrenze Hunderte zusätzliche Fachleute und Dolmetscher für die Bearbeitung von Asylanträgen. Die Brüsseler Behörde stellte rasche Hilfe in Aussicht. Von der geplanten Zwangsrückführung ließen sich Hunderte Migranten am Sonntag nicht abschrecken. Nach Angaben des Krisenstabes in Athen setzten in der Nacht 875 Menschen von der türkischen Küste auf griechische Inseln über. Kurz vor Inkrafttreten des Pakts waren es am Samstag 1.498 gewesen, am Freitag 670. Nach der Vereinbarung wurden einem Bericht von CNN Türk zufolge mehr als 3.000 Flüchtlinge in der Türkei an der Überfahrt nach Griechenland gehindert.
Der Kompromiss zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen wurde am Freitag zum Abschluss eines EU-Gipfels festgezurrt. Die Übereinkunft sieht vor, dass alle Flüchtlinge, die ab dem 20. März illegal von der Türkei nach Griechenland übersetzen, ab 4. April zwangsweise in die Türkei zurückgebracht werden können. Vorher haben die Migranten jedoch das Recht auf eine Einzelfallprüfung in Griechenland. Nur wer nachweisen kann, dass er in der Türkei verfolgt wird, darf bleiben. Nach dem 4. April soll auch die Umsiedlung von bis zu 72.000 syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen aus der Türkei nach Europa beginnen. Welches Land dabei wie viele Menschen aufnimmt, sei noch offen, hieß es in Brüssel.
Vertreter der griechischen Küstenwache klagten über offene Fragen bei der Umsetzung des Flüchtlingspakts. So sei unklar, was geschehen soll, wenn sich eine Menge von 500 oder 1.000 Menschen weigern sollte, an Bord von Schiffen zu gehen, die sie zurück in die Türkei bringen sollen. „Wir tappen in Zusammenhang mit den Modalitäten im Dunkeln“, sagte ein Offizier der Küstenwache der Deutschen Presse-Agentur. In Griechenland waren am Sonntag 48.141 Flüchtlinge registriert.
Im Elendslager von Idomeni an der Grenze zu Mazedonien halten sich nach Zahlen des Krisenstabes noch rund 12.000 Menschen auf. Sie stecken dort fest, nachdem die Balkanstaaten auf maßgebliche Initiative Österreichs am 9. März ihre Grenzen endgültig für Migranten ohne gültige Reisepapiere und Visa geschlossen hatten. Ob die in Griechenland festsitzenden Flüchtlinge in dem EU-Land bleiben oder in andere Länder der Gemeinschaft umgesiedelt werden, ist derzeit unklar.
Nach den Grenzschließungen der Länder auf dem Balkan und der EU-Türkei-Einigung wird erwartet, dass Schutzsuchende nun versuchen, auf andere Wege nach Mitteleuropa auszuweichen. Schon am Samstag retteten spanische, italienische und deutsche Marineschiffe 798 in Seenot geratene Bootsflüchtlinge vor der libyschen Küste. Libyen droht damit wieder ein Brennpunkt in der Flüchtlingskrise zu werden. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini befürchtet einem Bericht des Portals „politico.eu“ zufolge, dass sich mehr als 450.000 Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland auf den gefährlichen Seeweg über das Mittelmeer nach Europa machen könnten.
Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) drängte am Sonntag auf eine Schließung aller möglichen Fluchtrouten über den Balkan. Nach der Sperrung der Balkanroute und dem Flüchtlingspakt mit der Türkei gebe es nun ein Potenzial von 1,1 Millionen Menschen, die sich auf einen alternativen Weg Richtung Bulgarien machen könnten, sagte Mikl-Leitner in der ORF-“Pressestunde“. Der Deal mit Ankara löse das Problem nicht.
Papst Franziskus prangerte bei der Palmsonntagsprozession zum Beginn der Karwoche eine weit verbreitete Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal Zehntausender Flüchtlinge an. Es sei notwendig, Verantwortung für das Schicksal dieser Menschen zu übernehmen, forderte das Kirchenoberhaupt in seiner Predigt vor Zehntausenden Menschen auf dem Petersplatz in Rom. „Ich denke an so viele Menschen an den Grenzen, so viele Flüchtlinge.“