„Heini“: Kommunist und Christenmensch, Geschäftsmann und Finanzrebell
Wien/Schrems (APA) - „Griaß Di, i bin‘s, da Heini“ - so pflegt sich der Waldviertler Schuhhändler Heini Staudinger vorzustellen. Der Sohn ei...
Wien/Schrems (APA) - „Griaß Di, i bin‘s, da Heini“ - so pflegt sich der Waldviertler Schuhhändler Heini Staudinger vorzustellen. Der Sohn einer Kaufleutefamilie aus dem Salzkammergut inszeniert sich gerne als Sturschädel, der den Großen die Stirn bietet. Mit Erfolg: Der jahrelang in aller Öffentlichkeit mit der Finanzmarktaufsicht (FMA) ausgetragene Streit bescherte ihm Rekordumsätze. Jetzt ist er auch noch Kinoheld.
„Die FMA ist die beste Werbeagentur“, hat einmal ein Beobachter gesagt. Es begann im Jahr 2012, als Staudinger mit seiner Schuhfirma ins Visier der Aufsicht geriet. Die Banken hatten seinen Kreditrahmen gekürzt, also gründete der heute 62-jährige Unternehmer kurzerhand eine Art Sparverein. Er lieh sich drei Millionen Euro von Freunden und Fans und baute damit seinen Betrieb im Waldviertel kräftig aus.
Das Problem: Die FMA deklarierte das als Bankgeschäft, für das Staudinger eine Konzession gebraucht hätte, die er freilich nicht hatte. Seine Anleger hatten de facto ein Totalverlustrisiko, bekamen dafür vier Prozent Zinsen.
Anstatt sein Finanzierungsmodell auf eine legale Basis zu stellen - die FMA hatte ihm zahlreiche Alternativen unterbreitet, die er jedoch ablehnte -, ließ es Staudinger draufankommen. Strafbescheid um Strafbescheid machte er zum öffentlichen Ereignis. Dabei ging es anfangs „nur“ um 2.000 Euro. Das Ultimatum der FMA, seine Darlehen einfach zurückzuzahlen, ließ er genüsslich verstreichen. Lieber zog er vor Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof und vors Parlament. An einem kalten Dezembertag im Jahr 2012 versammelten sich mehr als 500 Unterstützer vor dem Hohen Haus und lauschten ihrem Helden, der gegen die Macht der Banken, an dessen Gängelband er Kleinunternehmer wähnt, wetterte.
Längst hatte „Heini“ auch zahlreiche Fürsprecher aus dem Establishment an seiner Seite. Ranghohe Politiker setzten sich ebenso für ihn ein wie Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl. Es war eine Zeit, als viel von Kreditklemme die Rede war. In Österreich brachte Staudinger die Diskussion um alternative Finanzierungsformen ins Rollen. 2015 wurde schließlich ein Gesetz für Crowdfunding (Schwarmfinanzierung) erlassen. Für Unternehmen, die Geld bei Privaten einsammeln, wurden bürokratische Hürden abgebaut. Erst ab einem Emissionsvolumen von 5 Mio. Euro braucht es einen vollständigen Kapitalmarktprospekt.
Staudinger selbst hat das Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG) bisher nicht genutzt. Obwohl er zwischenzeitlich von 350 Geldgebern 4,5 Mio. Euro eingesammelt hat, wie er sagt. Stattdessen hat er, nach Jahren, doch auf sogenannte Nachrangdarlehen umgestellt. Fast alle seiner ursprünglich 184 Gläubiger sind mitgezogen, betont Staudinger. Dies, obwohl für die Anleger damit erhebliche Risiken verbunden sind. Im Falle einer Pleite werden Inhaber von nachrangigen Darlehen nämlich erst nach Banken und Co. befriedet. Aus seiner Ansage, einen Art Genossenschaftsverband zu gründen, ist bisher nichts geworden. Da zankt er sich noch mit Raiffeisen und Co.
Die juristischen Auseinandersetzungen mit der Finanz hat Staudinger verloren. Auch nach dem Abblitzen bei den Gerichten weigerte er sich aber, die von der FMA aufgebrummte Verwaltungsstrafe von 2.626 Euro zu zahlen. Bis im Frühsommer 2015 der Exekutor kam. Für Staudinger war das ein erneuter Anlass, um sich als Aufmüpfiger in Szene zu setzen. Im Juni lud er zu einem Pressetermin, um den von der Finanz angekündigten Möbelabtransport medial begleiten zu lassen. Waren im Wert von mehr als 10.000 Euro waren gepfändet worden. An dem Tag ließen sich die Möbelpacker aber nicht blicken. Erst eine Woche später holten sich die Exekutoren Bargeld aus vier Wiener GEA-Geschäften.
Das Narrativ vom hemdsärmeligen Provinz-David, der gegen Goliath kämpft, war seinen eigenen Geschäften nicht abträglich. „Wir machen jetzt 31 Mio. Euro Umsatz. Bevor die Lehman Brothers in Konkurs gegangen sind, waren es keine 10 Millionen“, sagte Staudinger im Jänner zur APA. Der Gewinn belief sich auf fast 1 Mio. Euro. 2015 war das erfolgreichste Jahr der Unternehmensgeschichte.
Staudinger betreibt 23 GEA-Schuhgeschäfte sowie die Waldviertler Werkstätten, in denen „Waldviertler“-Schuhe, Holzmöbel und Matratzen produziert werden. Ein paar Schuhmodelle werden in Ungarn und Tschechien hergestellt. Rund 250 Menschen arbeiten heute in Staudingers Firmen. Neben den eigenen GEA-Geschäften gibt es noch etwa 30 Franchisenehmer. Die „Waldviertler“-Schuhe - Preisklasse in etwa zwischen 110 und 200 Euro - gibt es mittlerweile auch in Läden in Deutschland und in der Schweiz zu kaufen.
400 Paar Schuhe am Tag fabriziert Staudinger heute. Die Werkstatt in Schrems ist bei seinen Fans schon zu einem Pilgerzentrum geworden. „Unzählige Autobusse kommen - wir sind so attraktiv, weil man die aussterbenden Viecher gerne besucht“, sagt Staudinger. Jene, die zu seinen Veranstaltungen ins Waldviertel reisen, lassen viel Geld dort liegen. „Wir verkaufen dort weit über 20.000 Paar Schuhe im Jahr.“ Vor gut einem Jahr baute sich der Unternehmer eine Jurte als Showroom für seine Ökoprodukte.
Persönlich polarisiert Staudinger. Er lässt sich nicht gerne etwas dreinreden, manche bezeichnen ihn in Geldfragen als Schlitzohr und Querulanten. Selbst sagt er über sich, er sei Christenmensch und Kommunist gleichermaßen.
In vorgezogenen Bahnen hat sich der Geschäftsmann, der mit elf Jahren in ein katholisches Internet kam, nie wohlgefühlt. Sein Soziologie- und Theologiestudium brach er ab. Als Student jobbte er unter anderem als Nachtwächter bei den Olympischen Spielen in München. Mit dem verdienten Geld fuhr er mit dem Moped vom Schwanenstadt nach Tansania. Als er zurückkam, begann er ein Medizinstudium, von dem er ebenfalls bald abließ. Die Professoren hatte er als Handlanger der Pharmaindustrie empfunden.
Als er Ende der 1970er-Jahre in einem Münchner Schaufenster die damals in der linken Szene populären „Earth Shoes“ entdeckte, wusste er, dass er Schuhe verkaufen will. Er lieh sich 300.000 Schilling von Freunden und Familienmitgliedern und bestellte damit Schuhe aus Dänemark. Freilich fuhr er per Autostopp in das skandinavische Land.
Kurz darauf, im Jahr 1980, machte er ein eigenes Schuhgeschäft in Wien auf, bald kamen weitere Filialen hinzu. Da er nicht von Lieferanten abhängig sein wollte, entwickelte er seine eigene Schuhmarke.
Anfang der 1990er-Jahre übernahm er für einen symbolischen Schilling die vor der Pleite stehende Waldviertler Schuhwerkstatt. Die Fabrik war ein paar Jahre zuvor vom damaligen SPÖ-Sozialminister Alfred Dallinger als Projekt für Langzeitarbeitslose aufgezogen worden, das jedoch wirtschaftlich kläglich scheiterte.
Lange Jahre war der Geschäftsgang auch für Staudinger zäh. Eine Zeit verzichtete er auf ein eigenes Gehalt. Statt beim Personal zu sparen, stampfte er Ende der 1990er das Marketingbudget ein und übernahm die Werbung selbst. Die GEA-Kataloge sind mit politischen Gedichten und Staudingers Kommentaren zu allerlei Ungerechtigkeiten gesprenkelt. Daneben gibt der Hobbyphilosoph auch noch die Zeitschrift „brennstoff“ heraus, für die auch bekannte Globalisierungskritiker und Befürworter der Gemeinwohlwirtschaft schreiben.
Staudinger engagiert sich nicht nur theoretisch für die „Kleinen“. Seit 30 Jahren reist er regelmäßig nach Afrika, sammelt Spenden für diverse Hilfsprojekte in Tansania, Kenia und Äthiopien. In seinem Wahlheimatort Schrems kämpft er für den Ausbau von Solarenergie und gegen das Aussterben des Gemeindelebens. Staudinger hat das leerstehende Stadthotel gekauft und die 20 Zimmer sowie das Restaurant das saniert. Das „GEA Hotel Post“ ist mit GEA-Möbeln ausgestattet, Gäste sind großteils Teilnehmer der Seminare der „GEA“-Akademie. Dort werden Trommel- und Jodelkurse ebenso angeboten wie Qi-Gong-Ausbildungen.
Dass Staudinger ein vielbeschäftigter Mann ist, der sich seine Freiheit aber keinesfalls nehmen lässt, lesen alle seine Mailschreiber: „Ich beantworte Mail sofort (innerhalb von ein/zwei Tagen) oder gar nicht. Wenn Du meinst, ich hätte antworten sollen, dann melde Dich bitte wieder.......Herzl., Dein Heini“
Kurz vor seinem 63. Geburtstag am 5. April steht „Heini“ wieder einmal groß im Mittelpunkt. Wenige Tage vor seinem Welterblickungsjubiläum kommt ein Film über ihn („Das Leben ist keine Generalprobe“) in die Kinos. Premiere ist morgen, Mittwoch, in Schrems und am Sonntag in Wien.
~ WEB http://www.fma.gv.at ~ APA048 2016-03-29/08:45