Tiroler Mountainbiker wollen das Olympia-Ticket ins Rollen bringen
Wer so viel auf dem Rad sitzt wie Tirols Urgestein Charly Markt, hat viel zu erzählen. Die TT begleitete den 36-jährigen Haiminger und seine Teamkollegen Gregor Raggl und Anna Spielmann vor dem Weltcup-Abflug.
Von Roman Stelzl
Haiming –Die Linie? „Ja, die Linie“, sagt Charly Markt, tritt in die Pedale, beschleunigt kurz, blickt dann noch einmal zur Seite, „Darum geht es, das ist das Entscheidende. Du musst auf jeder Strecke zuerst deine Linie finden.“ Markt schwenkt nach rechts, nach links, eine Wurzel wird überfahren, eine andere ausgelassen – und bei diesem Zickzack am Hinterrad des Profis bleiben? Keine Chance.
So sieht sie also aus, die Linie, mit der samstagabends keiner durch die Stadt fahren kann, ohne angehalten zu werden. Aber hier, auf dem Mountainbike-Trail von Haiming, ist sie ein Kunstwerk, ein Mosaik aus Millionen winzigen Augenblicken, die hier keiner so gut zu Geschwindigkeit formen kann wie der 36-jährige Olympia-Teilnehmer von 2012. Markt, der 2001 im Weltcup debütierte, ist auf diesen Trails zu dem geworden, was er heute ist.
„Natürlich spielt die Erfahrung beim Mountainbike eine große Rolle. Risikobereitschaft gehört auch dazu. Aber wichtiger ist, dass man die Strecke kennt und weiß, was man zu tun hat“, ergänzt Markt kurz darauf, als die Trainingsfahrt zu Ende ist.
Am Ausgangspunkt warten bereits Gregor Raggl und Anna Spielmann, Markts Tiroler Kollegen beim Ötztal Haibike ProTeam, das heuer erstmals zu den besten 15 der Teams der Welt gehört und sich somit Elite-Team nennen darf. Zum großen Teil ist das der Verdienst zweier Schweizerinnen (Kathrin Stirnemann, Corina Gantenbein) – doch zugutekommen soll es zum großen Teil wiederum dem Tiroler Mountainbike-Sport. Dort bestimmen mit der Kirchbergerin Lisi Osl und Markt seit Jahren nur zwei Namen das Geschehen. Von Jahr zu Jahr. Dahinter? „Sieht es schwach aus“, sagt Markt.
Ausnahmen gibt es wenige – zwei sind auf jeden Fall Raggl und Spielmann. Raggl, der 24-jährige Roppener, der mal den Kosenamen „Bärli“ bekam, werkelt fleißig an seiner Karriere. Beim Team fehlt es ihm an kaum etwas – und bedanken will er sich mit starken Ergebnissen. „Das Ziel für heuer muss Olympia sein. Auch wenn es sehr schwierig wird“, sagt Raggl. Für einen Startplatz bei den Olympischen Spielen in Rio (BRA) braucht es einen Top-15-Platz im Weltcup. Eine große Aufgabe. Weder Raggl noch Markt knackten sie bisher. Derzeit hat Österreich einen Platz sicher, Alex Gehbauer und Markt spähen darauf. Am Ende sollen beide ebenso wie die konkurrenzlose Lisi Osl in Rio landen – die erste Chance bietet sich nächstes Wochenende beim Auftakt in Cairns (AUS). Der Abflug ist bereits heute.
Aber zurück auf den Trail von Haiming: Den hat das Ötztaler Trio verlassen und die jeweils rund 6000 Euro teuren Räder vor einer Bäckerei geparkt. Raggls und Markts Gesichter sind hier bekannt, Anna Spielmanns noch nicht. Die 17-jährige Schülerin ist Tirols große und auch einzige Zukunftsaktie. Sie soll die weit aufklaffende Lücke hinter Osl schließen. In Australien wird die Haimingerin fehlen, ihr Augenmerk liegt auf dem Junioren-Weltcup. „Unter die Top fünf möchte ich schon kommen“, sagt Spielmann.
Wie es geht, können ihr Markt und Raggl vorzeigen. Die wollen ihre Linie auch gefunden haben – und die soll bis nach Rio führen. Egal ob gerade oder im Zickzack.