Von Herakles zu IS: Stemann inszeniert Jelineks „Wut“ in München
München (APA) - Am Samstag (16. April) kommt das neue Stück von Elfriede Jelinek an den Münchner Kammerspielen zur Uraufführung. „Wut“ ist a...
München (APA) - Am Samstag (16. April) kommt das neue Stück von Elfriede Jelinek an den Münchner Kammerspielen zur Uraufführung. „Wut“ ist als Manuskript ein 114-seitiger vielstimmiger Chor, in dem sich die aktuelle Terror-Bedrohungslage mit der griechischen Antike mischt. Die österreichische Nobelpreisträgerin nennt das Stück im Untertitel ironisch „kleines Epos. Geh bitte, Elfi, hast dus nicht etwas kleiner?“
Unmittelbar fließen vor allem die Pariser Anschläge auf „Charlie Hebdo“ und einen jüdischen Supermarkt im Jänner 2015 in den Text ein - in vielfältigen Informationen und Fragestellungen, die aufgrund der medialen Berichterstattung aufgeworfen wurden. Detailreich wird auch die Bedienung von Kalaschnikows erörtert - die Autorin gibt im Anhang als Quelle Wikipedia an: „Na ja, woher soll ich das denn sonst wissen?“ Die Ursachen der Wut, die zu den Gewehren greifen lässt, werden ebenso analysiert wie das Verhalten der Wut-Bürger und der Populisten und Demagogen, die mit dem Feuer spielen. Doch auch Euripides‘ „rasender Herakles“, der im Wahn die eigene Familie auslöschte, wird eingebaut. Es geht um Gott und die Götter, um das Zusammenleben und die Selbstermächtigung zum Töten.
„In den meisten historischen politischen Situationen hat Wut eine unselige Rolle gespielt“, wird Elfriede Jelinek im Magazin „News“ dazu zitiert. „Sie hat kein Ziel, sie überschwemmt das Hirn, bis man nicht mehr denken und Fakten und Argumente abwägen kann. Man ist ihr ausgeliefert. Frustrationen, oft auch von politischen Einpeitschern suggerierte, schlagen dann in Aggression um. Da entsteht ein wildes Um-sich-Schlagen, das nicht mehr differenzieren kann. Sehr gefährlich, auch für den Wütenden selbst, denn er kann nicht mehr rational bleiben.“
Die Uraufführung des Textes betreut der führende szenische Jelinek-Spezialist: „‘Wut‘ ist die inzwischen achte Zusammenarbeit der künstlerischen Wahlgemeinschaft von Elfriede Jelinek und Nicolas Stemann, Hausregisseur an den Kammerspielen. Vor vielen Jahren schon hat sie sich verbunden, in München, wo sie bisher noch nicht gemeinsam in Erscheinung getreten sind, wird sie fortgeführt“, heißt es aus dem Theater. Laut „News“ planen das Hamburger Thalia Theater sowie Theater in Darmstadt, Halle und - als Österreichische Erstaufführung - in Klagenfurt das Stück nachzuspielen.
Stemanns Uraufführung von Jelineks „Die Schutzbefohlenen“ 2014 in Mannheim und Hamburg erregte großes Aufsehen, u.a. weil der Regisseur auch einen Flüchtlingschor auf die Bühne brachte. Das Stück wird in Konzept und Regie von Tina Leisch und Bernhard Dechant am Donnerstag (14. April) um 19 Uhr im Audimax der Universität Wien unter dem Titel „Schutzbefohlene performen Jelineks Schutzbefohlene“ aufgeführt. Im Anschluss an die Aufführung ist eine Diskussion mit den Schauspielern, geplant, „die viersprachig und mit Dolmetscher_innen abgehalten wird“, wie es in der Ankündigung der ÖH heißt.
(S E R V I C E - „Wut“ von Elfriede Jelinek, Inszenierung: Nicolas Stemann, Bühne: Katrin Nottrodt, Kostüme: Katrin Wolfermann, Mit Daniel Lommatzsch, Jelena Kuljic, Thomas Hauser, Julia Riedler, Annette Paulmann, Franz Rogowski, Zeynep Bozbay; Kammerspiele München, Uraufführung am 16. April, 20 Uhr, Nächste Aufführungen: 17., 19., 24.4., 8., 26.5., Karten: +49/89/233 966 00, www.muenchner-kammerspiele.de)