Rochade im ÖVP-Team

Kritik aus ÖVP: „Nicht verlängerte Werkbank für St. Pölten“

Parteichef Reinhold Mitterlehner, Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und NÖ-Landeshauptmann Erwin Proell (v.l., alle ÖVP).
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In der ÖVP sind nach dem Wechsel von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner nach Niederösterreich überraschend scharfe Töne zu hören. Die ÖVP dürfe nicht als „eine niederösterreichische Landespartei mit oberösterreichischen Gastarbeitern“ erscheinen.

Wien – Der steirische Landesrat Christopher Drexler übt als erster prominenter ÖVP-Politiker offen Kritik an der Art der Rochade zwischen Innenministerium und niederösterreichischer Landesregierung. Die ÖVP dürfe nicht bloß „verlängerte Werkbank für St. Pölten“ sein, sagt er im „Kurier“.

„Wir müssen rasch daran arbeiten, dass der Eindruck schwindet, dass die ÖVP eine niederösterreichische Landespartei mit oberösterreichischen Gastarbeitern und einer kleinen angeschlossenen bundespolitischen Abteilung ist“, meint der Landespolitiker.

Mit dem kommende Woche anstehenden Avancement des Innviertlers August Wöginger zum geschäftsführenden ÖAAB-Obmann sind alle entscheidenden Bünde (Wirtschaftsbund-Chef ist Christoph Leitl, Bauernbund-Obmann Jakob Auer) sowie der Bundesparteivorsitz mit Reinhold Mitterlehner indes in der Hand der oberösterreichischen Schwarzen.

Mitterlehner: „Nehme an, dass ich der Chef bin“

Mit dem Wechsel habe sich wieder einmal bewiesen, dass Erwin Pröll der heimliche Chef der ÖVP ist, so der Tenor in den Medien. Die Art des Wechsels sowie der Zeitpunkt würden dies unterstreichen. Die Position von Parteichef Reinhold Mitterlehner werde dadurch geschwächt.

ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner kann mit der Kritik seiner steirischen Parteikollegen an der jüngsten Personalrochade nichts anfangen. Die Meinung von Landesrat Christopher Drexler sei „aus meiner Sicht nicht richtig“, erklärte der Vizekanzler am Dienstag nach dem Ministerrat. Er sehe nichts, „was diese Kritik untermauern würde“, betonte der VP-Chef.

Es muss niemand selber Flüchtling gewesen sein, um das Thema gut managen zu können“
VP-Chef Mitterlehner zu Wolfgang Sobotka

Bereits in der gestrigen „ZiB 2“ verteidigte der Parteichef den Wechsel. Wolfgang Sobotka sei „durchaus“ sein Wunschkandidat gewesen, „ich habe ihn vorgeschlagen“, sagte er. Der Wechsel der amtierenden Ressortchefin Johanna Mikl-Leitner nach Niederösterreich sei jedoch „für mich und die Partei natürlich nicht erfreulich“ gewesen, räumte Mitterlehner ein.

Auf die Frage, wer denn nun in der ÖVP das Ruder in der Hand habe, meinte Mitterlehner: „Ich nehme an, dass ich der Chef bin und bin trotzdem mit Konstellationen konfrontiert, die nicht immer erfreulich sind“.

ZiB 2-Sprecher Armin Wolf sprach die bisherige Laufbahn von Sobotka an, der bislang weder etwas mit Sicherheit noch mit Flüchtlingspolitik zu tun gehabt habe. Ob ihn dies für den Posten des Innenministers qualifiziere? Mitterlehner: „Es muss niemand selber Flüchtling gewesen sein, um das Thema gut managen zu können.“ Sobotkas Ausbildung als Lehrer und Dirigent spreche für dessen Teamfähigkeit, so der Parteichef.

Größere Regierungsumbildung bleibt vorerst aus

Mitterlehner bestätigte zudem in der „ZiB2“ indirekt Gerüchte, wonach er eine größere Regierungsumbildung wegen des geringen Frauenanteils überlegt habe. Angesichts der Qualität des Teams sei er aber rasch wieder davon abgekommen.

Kanzler Faymann versicherte dem Koalitionsparter nach dem Ministerrat am Dienstag einmal mehr, man werde den Wechsel „sehr konstruktiv und mit viel Bereitschaft zur Zusammenarbeit begleiten“. Gefragt nach dem niedrigen Frauenanteil – nur ein Viertel der Minister und Staatssekretäre sind künftig weiblich – bezeichnete er diesen aber als „bedauerlich“. Er wünsche sich, „dass das nicht einfach so zur Kenntnis genommen wird“. Bei künftigen allfälligen Personalentscheidungen sollten wieder Frauen zum Zug kommen, das habe er sich auch selbst vorgenommen. (tt.com/APA)