Die heroischen Gesten im Höllenfeuer der Liebe
Das Kino-Melodram „Die Geliebte des Teufels“ erzählt von der bizarren Beziehung des NS-Propaganda-Ministers zum Filmstar Lída Baarová.
Innsbruck –Für David Bowie war Adolf Hitler „einer der ersten Rockstars. Er war kein Politiker, er war ein Medienartist.“ Mick Jagger prahlte, Leni Riefenstahls „Triumph des Willens“ 15-mal gesehen zu haben. Damit wurden die Musiker noch nicht zu Nazis, sie hatten einfach Susan Sontags 1975 erschienenen Essay „Faszinierender Faschismus“ über die Rehabilitierung von Hitlers liebster Regisseurin schlampig gelesen. Die Riefenstahl-Bewunderer mussten nur „die politische Ideologie aus ihren Filmen herausfiltern“, um sich der Ästhetik hingeben zu können. Sogar Bowies Einschätzung ist bei Sontag zu finden – als Zitat aus einer Goebbels-Rede von 1933. „Politik“, so Goebbels, „ist die höchste und umfassendste Kunst, die es gibt, und wir fühlen uns als Künstler, da die Aufgabe der Kunst und des Künstlers darin besteht, das Kranke auszumerzen und Freiheit für das Gesunde zu schaffen.“ Sontags Text antizipierte auch den folgenden Umgang von Filmregisseuren mit dem „faszinierenden Faschismus“, wenn sie von Opportunisten erzählen wollten, die für Ruhm und Geld ihre Seele verkauften.
Mit Rainer Werner Fassbinders „Lili Marleen“ und István Szabós „Mephisto“ wurden 1981 gleich zwei Filme über verführte Künstler zu Welterfolgen. Bei Szabó sagt der Schauspieler Hendrik Höfgen, als das Ausmaß des Grauens sichtbar wird: „Ich bin doch nur ein Schauspieler.“ Fassbinder lässt seine Sängerin Wilkie Bunterberg sagen: „Ich singe doch nur ein Lied.“ Die bizarrste Rechtfertigung präsentiert der tschechische Regisseur Filip Renˇc in seiner Kinobiografie „Die Geliebte des Teufels“ über Lída Baarová, die sich im Labyrinth der Illusionen verloren hat und als alte Dame von ihren Fehlentscheidungen erzählt: „Ich habe doch nur geliebt.“
Lída Baarová (Tatiana Pauhofová) ist in Prag bereits ein Star, als sie 1934 an die Berliner Ufa-Studios engagiert wird. Sie wird die Geliebte ihres Filmpartners Gustav Fröhlich (Gedeon Burkhard), der sie ermuntert, Hitlers Einladung zum Tee anzunehmen. Renˇc lässt seinen Führer als Vampir um die Schauspielerin herumschleichen, an ihrem Körper schnuppern, bis ihn das Erschauern vor dem eigenen Begehren zurückschrecken lässt. Dieser Triebtäter hat seine Besessenheit auf andere Ziele gerichtet. „Das faschistische Ideal“, ist bei Sontag zu lesen, „ist die Umwandlung sexueller Energie in eine ,geistige‘ Kraft, das Erotische ist stets als Versuchung gegenwärtig und die Reaktion, die am meisten Bewunderung verdient, ist die heroische Unterdrückung des sexuellen Impulses.“ Der Propagandaminister Joseph Goebbels (Karl Markovics) hält nichts von heroischen Gesten, er beherrscht die Kunst der Verführung. Auf dem Plattenteller seines Grammophons dreht sich Wagners Walkürenritt, der bei Lída die beabsichtigte Wirkung erzielt. Dazu schiebt Renˇc digital loderndes Feuer vor die Beischlafszene. Mit der dämonischen Metapher beginnt eine Amour fou, für die der Hetzer Partei und Führer opfern möchte. Der verlangt jedoch Entsagung. Wie im Ufa-Palast der Träume Lügen hergestellt werden, muss Goebbels mit seiner Magda das „deutsche Familienideal verkörpern“. Mit Entsetzen nimmt die Naive aus Böhmen in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 erstmals das wahre Gesicht der Nazis wahr.
Wütend begegnet der Film aber nur den Befreiern, die nach dem Krieg die Schauspielerin als Nazi-Kollaborateurin hinrichten wollen. Daher hat „Lída Baarová“ in Tschechien auch alle Kassenrekorde gebrochen und die Hollywood-Blockbuster hinter sich gelassen.