Hundstorfer im Interview: „Ich lasse mich nicht beirren“
SPÖ-Präsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer will den Umfragen nicht wirklich glauben. Er kritisiert die Geschichtsbilder seiner Konkurrenten. Führen würde er beim Kaffeetermin in der Hofburg.
Vollenden Sie bitte folgenden Satz: Wenn ich am 24. April in die Stichwahl komme, …
Rudolf Hundstorfer: … dann geht es mit Volldampf bis zur Stichwahl am 22. Mai.
Und wenn ich es nicht schaffe, ...
Hundstorfer: Diese Frage stellt sich für mich nicht.
Für uns schon.
Hundstorfer: (lacht) Das ist Ihr Problem.
Sind Sie mit dem bisherigen Verlauf des Wahlkampfes zufrieden?
Hundstorfer: Es läuft, wie wir uns das in unserer Konzeption vorgenommen haben.
War da auch der doch deutliche Rückstand in den Umfragen eingeplant?
Hundstorfer: Ich lasse mich von Umfragen nicht beirren. Es gibt Umfragen, wo ich vorne bin ...
… Eine bisher.
Hundstorfer: Ja, es gibt eine. Es gibt Umfragen, wo ich besser bin, es gibt welche, wo ich schlechter bin. Man muss seiner Konzeption treu bleiben. Umfragen haben in der Vergangenheit schon alles Mögliche gezeigt.
Wie stark ist der Regierungsmalus, mit dem ÖVP-Kandidat Andreas Khol und Sie fertigwerden müssen?
Hundstorfer: Ich muss immer den einen Satz dazusagen, dass es im Wahlkampf nicht um die Wahl des Parlaments oder der Regierung geht, sondern um das Amt des Bundespräsidenten. Aber ich stehe natürlich zu meiner Vergangenheit. Daher kann ich aber auch authentisch sagen, dass ich freiwillig ein Ministeramt zurückgelegt habe und freiwillig aus der operativen Eben ausgestiegen bin. Ich war von allen Kandidaten in den vergangenen zehn Jahren als einziger auf dieser operativen Ebene tätig.
Sie haben auch keine schlimme Vergangenheit, zu der Sie stehen müssten.
Hundstorfer: Meine letzten zehn Jahre sind öffentlich dokumentiert. Jeder weiß, was ich da getan habe.
Es fällt auf, dass man auch hier in Wien keinen Wahlkampf auf der Straße sieht. Ich kann mich an Wahlen erinnern, wo die Wahlhelfer allgegenwärtig waren. Wie stark kann die SPÖ noch mobilisieren?
Hundstorfer: Ich lade Sie gerne ein, mich in den nächsten Tagen zu begleiten und sich von der Mobilisierungskraft zu überzeugen.
Ist das nicht etwas spät?
Hundstorfer: Das glaube ich nicht. Ich war schon auf vielen Märkten und bin auch noch viel unterwegs.
Die Mobilisierungskraft hat nicht abgenommen?
Hundstorfer: Sie hat nicht abgenommen. Aber erstens wählen wir einen Bundespräsidenten. Zweitens haben wir im Februar und März Wahlkampf machen müssen, wo das Wetter nicht immer gut war. In Innsbruck hatte ich das Glück, dass bei meiner Ostereieraktion um 6.40 Uhr auf einmal strahlender Sonnenschein war. Ich bin bewusst auch viel in Betriebe gegangen. Ich war aber auch viel auf der Straße, nicht nur in Wien. Die Mobilisierung ist da. Wird da sein.
Noch einmal zurück zur politischen Großwetterlage. Betrachten wir Ihre Umfragedaten, die des ÖVP-Kandidaten Khol, die von SPÖ und ÖVP in der Sonntagsfrage. Gemeinsam hätten Rot und Schwarz derzeit keine Mehrheit, die FPÖ liegt voran. Erleben wir gerade das Ende der rot-schwarzen Dominanz, die seit 1945 bestimmend war?
Hundstorfer: Schauen wir einmal, wie die Wahlen ausgehen. Diese Regierung ist schon so oft totgesagt worden.
Die Bundespräsidentenwahl ist also keine Beschleunigung oder Bremse für diese Entwicklung?
Hundstorfer: Diese Wahl ist separat zu sehen. Ich hoffe, dass wahrgenommen wird, dass es um eine spezielle Funktion in diesem Land geht. Und es ist nicht egal, ob dort ein Burschenschafter sitzt, dessen Burschenschaft Österreich nicht anerkennt (FPÖ-Kandidat Norbert Hofer, Anm.). Oder ob dort ein Professor sitzt, der ständig neu wählen lassen will (Grünen-Bewerber Alexander van der Bellen, Anm.). Oder die Frau Dr. (Irmgard) Griss, die auch schon gemeint hat, dass sie zurücktritt, wenn es ganz schwierig wird. Demzufolge hoffe ich, dass die Leute zur Kenntnis nehmen, dass es um eine spezielle Funktion geht, wo Stabilität, Krisenfestigkeit und Sicherheit gefragt sind.
Sie hoffen auf die letzten zehn Tage des Wahlkampfes. Wo, bei welchen Kandidaten, können Sie noch die meisten Stimmen abholen? Umfragen legen nahe, dass es Norbert Hofer ist. Werden Sie sich auf ihn konzentrieren?
Hundstorfer: Es ist nicht nur Norbert Hofer. Wenn ich diesen Umfragen glauben darf, gibt es noch sehr viele Unentschlossene. Sie sind die erste Zielgruppe. Und natürlich muss man aufzeigen, wer sind die anderen Kandidaten. Ich will keinen Präsidenten, der aus einer Burschenschaft kommt, die in ihren Unterlagen und ihren Festschriften stehen hat, Österreich ist eine Fiktion. Und der Professor war zehn Jahre in Politpension und hat das Bedürfnis, die Demokratie hin- und herzubiegen, wie es ihm Spaß macht. Das hat in diesem Amt nichts verloren. Demokratische Wahlergebnisse sind demokratische Wahlergebnisse – ob sie dir persönlich gefallen oder nicht.
Diese Diskussion über den Umgang mit missliebigen Ministern führen wir spätestens seit Thomas Klestil, der im Jahr 2000 widerwillig Schwarz-Blau angeloben musste. Was würden Sie tun, wenn sich eine Regierung abzeichnet, die Ihnen gar nicht gefällt? Ein Burschenschafter vielleicht, mit schwarzer Unterstützung?
Hundstorfer: Das ist eine sehr theoretische Frage. Wenn es ein demokratisches Wahlergebnis gibt, wird man sich den Hintergrund einzelner Personen ganz genau anschauen.
Das Wiener Rathaus, die Karenz und kein „Plan B“
SPÖ-Präsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer kann die Fragen zu seinem Gehalt nicht mehr hören. „Ihr habt Euch alle nicht erkundigt“, meint er zu uns – den Medien. Also, hören wir zu: Hundstorfer trat am 26. Jänner als Sozialminister zurück. Eine Gehaltsfortzahlung als Minister stehe ihm nicht zu, weil er als Beamter ins Wiener Rathaus zurückkehren könnte. Tatsächlich beendete er die Karenzierung, nahm für den Wahlkampf aber sofort unbezahlten Urlaub. Dafür hat er nun einen Vertrag als Angestellter bei seinem von der SPÖ gesponserten Unterstützungsverein, der ihm 13.090 Euro pro Monat (75 Prozent des Ministergehalts) als Gehalt auszahlt. Ins Rathaus will Hundstorfer auch dann nicht zurück, wenn er bei der Wahl scheitert. Einen „Plan B“ für diesen Fall habe er aber nicht, beteuert er.
Also bei einzelnen Personen würden Sie schon eine harte Prüfung vornehmen?
Hundstorfer: Das findet auch jetzt schon statt, beim jetzigen Präsidenten Heinz Fischer.
Ist die Designierung eines Ministers durch den Landeshauptmann von Niederösterreich genug Qualifikation für ein Regierungsamt?
Hundstorfer: Warum die ÖVP das jetzt macht, ist deren Problem und nicht meines. Ich kann dem Herrn (Wolfgang) Sobotka aber nicht absprechen, dass er das Amt als Innenminister führen kann.
Die Frage ist hier nicht die Qualifikation, sondern wer die Regierungsmitglieder bestimmt.
Hundstorfer: Das ist bitte Angelegenheit jener Fraktion, die betroffen ist. Das ist nicht eine Frage des Bundespräsidenten. Den Herrn Sobotka kenne ich seit vielen Jahren persönlich.
Noch einmal zur Frau Griss. Früher hätte es aus der SPÖ einen Aufschrei gegeben, wenn jemand sagt, es sei nicht alles so schlimm gewesen, was im Nationalsozialismus passiert ist.
Hundstorfer: Das haben wir doch schon gemacht. Ich teile diese Aussagen nicht. Das ist ein Geschichtsverständnis, das ich ablehne. Und ich gehe davon aus, dass vor allem die ältere Bevölkerung darauf eine entsprechende Antwort haben wird. Es ist außerdem immer mehr absehbar, dass die Frau Dr. Griss in Wirklichkeit etwas anderes will: Ihr Programm, das sie präsentiert hat, ist ein Parteiprogramm und hat mit dem Amt des Bundespräsidenten nichts zu tun. Dass es eine Vermögenssteuer oder Erbschaftssteuer geben soll, haben wir schon lange gefordert. Ich betrachte das als ein umfassendes Wahlprogramm.
Sie glauben, dass Griss auch nach der Wahl aktiv bleiben wird?
Hundstorfer: Ich vermute, dass die Kreise, die hinter ihr stehen, das probieren wollen.
Eine neue ÖVP?
Hundstorfer: Das ist alles Spekulation. Aber dass unsere Parteienlandschaft sich verändert, zeigt allein der jetzige Nationalrat, in dem sechs Gruppierungen sitzen. Auch die Landesregierungen werden immer bunter. Da ist Österreich aber nicht allein. Diese Prozesse finden in halb Europa statt.
Noch einmal Geschichte. Andreas Khol hat bekräftigt, Österreich als Staat sei erstes Opfer des Nationalsozialismus gewesen, aber Österreicher seien auch Täter gewesen.
Hundstorfer: Ich kann diesen Satz für mich nicht akzeptieren. Ich glaube, dass die Ereignisse des Jahres 1938 ein anders Bild zeigen, als es der Herr Khol jetzt zu konstruieren versucht.
Wir waren schon bei den Möglichkeiten des Bundespräsidenten. Wie lautet Ihre Beschreibung? Staatsnotar? Moralische Autorität? Ersatzkaiser?
Hundstorfer: Es gibt in Österreich immer den Zug zu imperialem Gehabe. Den habe ich nicht. Das Amt ist eine Mischung. Der Bundespräsident soll ein Mahner sein, er soll einer sein, der Fehlentwicklungen aufzeigt. Er ist ein Repräsentant nach außen, muss aber auch nach innen schauen, dass die Dinge im Fluss bleiben. Ich werde teilweise lauter sein, teilweise im Hintergrund agieren. Ich möchte auch versuchen, die Hofburg für Themen zu öffnen. Ich denke da an Schüler und Lehrlinge, an Gewerbetreibende, an Start-ups - wissend, dass man nicht die Regierung und nicht das Parlament ist. Aber man muss doch versuchen, auch etwas weiterzubringen. Ich weiß, wovon ich spreche. Auch ich habe als Minister immer wieder so genannte Kaffeetermine beim Bundespräsidenten gehabt.
Was passiert bei diesen Terminen? Redet der Bundespräsident den Gästen bei diesen Terminen ins Gewissen?
Hundstorfer: Am Anfang stehen natürlich zwei Minuten Smalltalk. Aber dann geht es zur Sache. Wie schaut dieses Projekt aus? Wie jenes? Wo kann ich versuchen, Brücken zu bauen oder mit anderen zu reden? Er ist nicht der Oberkoordinator der Regierung, aber er kann doch etwas weiterbringen.
Was würden Sie anders machen als der amtierende Bundespräsident Heinz Fischer?
Hundstorfer: Das hängt mit meiner gesamten Lebensgeschichte zusammen. Soziales im weitesten Sinne des Wortes war für mich immer ein Schwerpunkt – im Sinne von sozialer Sicherheit, mit allem, was dazugehört. Im Außenauftritt wird sich nicht viel ändern. Die Wirtschaft kommt schon jetzt zu mir und appelliert, die Delegationen bei Auslandsreisen fortzuführen. Ob man hie und da mehr Kultur oder Wissenschaft mitnimmt oder nicht, muss man im Einzelfall abwägen.
Der Bundespräsident vertritt die Republik nach außen. Wie ist Ihr Verhältnis zu Außenminister Sebastian Kurz?
Hundstorfer: Wir haben aus der Vergangenheit ein sehr korrektes Verhältnis, auch wenn wir ein paar Mal Sträuße in der Öffentlichkeit ausgetragen haben. Es gibt da eine tragfähige Arbeitsbasis.
Zum Abschluss noch einmal: Sollten Sie nicht Bundespräsident werden, bleiben Sie dann politisch aktiv.
Hundstorfer: Ich habe keinen Plan B. Punkt. Ich habe auch noch keine Angebote für einen neuen Job.
Das Gespräch führten Michael Sprenger und Wolfgang Sablatnig.