Von Saakaschwili bis Kolomoiski: Wer in Kiew den Ton angibt

Kiew (APA/dpa) - Auch nach dem zweiten prowestlichen Machtwechsel innerhalb von zehn Jahren kommt die Ukraine kaum voran. Schuld ist eine en...

Kiew (APA/dpa) - Auch nach dem zweiten prowestlichen Machtwechsel innerhalb von zehn Jahren kommt die Ukraine kaum voran. Schuld ist eine enge Verquickung von Wirtschaft und Politik. Was treibt die einzelnen Kräfte an?

Oligarchen, Provinzfürsten, Minister: In der krisengeschüttelten Ukraine beeinflussen viele das politische Geschehen. Nicht alle sind vom Volk gewählt, und einige bleiben lieber im Hintergrund. Ein Überblick über markante Akteure:

ANDREJ SADOWY: Der populäre Bürgermeister der westukrainischen Stadt Lwiw (Lemberg) gilt als der eigentliche Chef der Partei Samopomitsch (Selbsthilfe), die einen kometenhaften Aufstieg hatte. Mit ihrem Austritt aus der prowestlichen Regierungskoalition verschärfte sie im Februar jedoch die innenpolitische Krise. Sadowy gilt als Befürworter von Neuwahlen - auch, weil seine Partei wohl profitieren würde. Öffentlich hält sich der 47-Jährige mit Forderungen aber zurück. Auch angebliche Ambitionen auf den Präsidentenposten bestätigt er nicht. Samopomitsch etablierte sich vor allem bei den vergangenen Kommunalwahlen als liberale Kraft bei der dünnen Mittelschicht.

MICHAIL SAAKASCHWILI: Der frühere Staatspräsident von Georgien ließ sich 2015 einbürgern und steht seitdem der Verwaltung des Gebiets Odessa vor. Zu profilieren versucht er sich vor allem mit einer zivilgesellschaftlichen Antikorruptionskampagne. Der 48-Jährige gilt Umfragen zufolge als beliebtester Politiker der Ukraine und würde diese Popularität gerne in vorgezogenen Parlamentswahlen nutzen. In der Regierungskoalition besitzt er unter anderem mit den Abgeordneten Mustafa Najem und Sergej Leschtschenko, beide früher populäre Investigativjournalisten, aktive Fürsprecher.

IGOR KOLOMOISKI: Der Milliardär gilt als heimlicher Mehrheitsbeschaffer im Parlament, weil er angeblich auf zahlreiche Abgeordnete in unterschiedlichen Parteien Einfluss ausüben kann. In seiner Amtszeit als Gouverneur des Gebietes Dnipropetrowsk fiel er bei Staatspräsident Petro Poroschenko in Ungnade. Zuletzt nahm sein politisches Gewicht aber wieder zu. Mehrfach wurde der 53-Jährige von Journalisten bei vertraulichen Besuchen im Präsidialamt und bei Regierungschef Arseni Jazenjuk gesehen. Wichtig für Kolomoiski, der überwiegend in der Schweiz lebt, bleiben gute Ausgangspositionen bei den anstehenden Privatisierungen und der Einfluss im Erdölgeschäft.

NATALIA JARESKO: Die 2014 eingebürgerte Finanzministerin wurde im US-Staat Illinois geboren. Kurzzeitig wurde die 50-Jährige als mögliche Nachfolgerin von Regierungschef Arseni Jazenjuk gehandelt. Immer wieder hieß es, sie gelte als Wunschkandidatin des Internationalen Währungsfonds (IWF) oder der US-Regierung. Allerdings mangelt es ihr an Unterstützung im Parlament in Kiew. Handicap ist auch, dass Jaresko bis Dezember ihre US-Staatsbürgerschaft ablegen muss. Andernfalls bleiben ihr Posten in der Regierung verwehrt - sollte das entsprechende Gesetz nicht geändert werden.

JULIA TIMOSCHENKO: Nach international kritisierter Haft arbeitet die machthungrige Ex-Regierungschefin heute im Parlament. Ihre Freilassung im Februar 2014 gilt als besonderer Moment nach dem Sieg der prowestlichen Maidan-Bewegung. Ihre ehrgeizigen Ambitionen auf das Amt der Staatschefin oder Ministerpräsidentin hat die 55-Jährige nie aufgegeben. Kritiker werfen ihr vor, sie wolle mit ihrem jüngsten Austritt aus der Koalition und mit aggressivem Populismus Neuwahlen erzwingen. Die Niederlagen von 2010 (Präsidentenwahl) und 2014 (Präsidenten- und Parlamentswahl) schmerzen Timoschenko noch.