,,Familie zu vermieten“: Depressionen nach den Algorithmen
In der Komödie „Familie zu vermieten“ versuchen Benoît Poelvoorde und Virginie Efira als Bourgeois und Putzfrau, ein Paar zu werden.
Innsbruck –Mit Algorithmen hat Pierre-André Delalande (Benoît Poelvoorde) das große Geld gemacht. In seiner überdimensionalen Villa hängt ein Francis Bacon, in der prunkvollen Auffahrt parkt ein Maybach, den sein Butler Léon (François Morel) lenkt. Aber schon beim Bacon-Schinken für 50 Millionen Euro lässt sich sagen, ein Blick auf dieses Bild genügt, den Betrachter in eine tiefe Depression zu stürzen. So ähnlich geht es Pierre-André auch mit der Sonne, weshalb Léon zu jedem Glas Wasser Antidepressiva serviert. Die Rettung aus Einsamkeit und Niedergeschlagenheit könnte eine Familie sein, doch Pierre-André ist kein Mann, der durch Parkanlagen schlendert oder einschlägige Lokale aufsucht, um die Bekanntschaft von Frauen zu suchen.
Das Glück begegnet ihm in einer TV-Gerichtsreportage, in der Violette (Virginie Efira) gegen die Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung kämpft, nur weil sie einen Wachmann mit einem gefrorenen Huhn bewusstlos geschlagen hat. Der wollte die alleinerziehende Mutter daran hindern, ihre Kinder mit Lebensmitteln zu versorgen. Dieser Auftritt überzeugt nicht nur Gericht und Sozialamt, das auf die staatliche Fürsorge für ihre Kinder verzichtet, sondern auch den verschrobenen Millionär. Gegen eine großzügige Entlohnung sollen Violette, ihre Tochter Lucie (Pauline Serieys) und ihr Sohn Auguste (Calixte Broisin-Doutaz) zuerst einmal für drei Monate eine Kostprobe eines allseits gerühmten Familienlebens abgeben. Erotische Leistungen sind nicht Gegenstand der Vereinbarung, was bei Violette zu Verdächtigungen (schwul?, pervers?) führen muss, schließlich kennt sie die Welt auch nur aus dem Fernsehen.
Kann aus dem Bourgeois und der Putzfrau ein Paar oder irgendwann eine Patchworkfamilie werden? Augenzwinkernd und nach den Regeln der Komödie versucht uns Jean-Pierre Améries weiszumachen, dass sich die Erfahrungen von Arm und Reich gar nicht so besonders unterscheiden. Pierre-André ist seit seinem vierten Lebensjahr nach dem Verschwinden des Vaters in Eliteinternaten erzogen worden, während sich die Väter von Violettes Kindern kurz vor und nach deren Geburt aus dem Staub gemacht haben. Die Kinder leben zwar in einer Hüttensiedlung, aber sie sind glücklich.
Das französische Kino liebt dieses Aufeinanderprallen sozialer Klassen, wobei es zumeist Frauen sind, die unten leben und sich nach oben boxen. Dass Jean-Pierre Améries’ Film dennoch sympathisch daherkommt, verdankt er seinen Darstellern. Mit Benoît Poelvoorde, der gerade als Gott gegen „Das brandneue Testament“ zetert, drehte Améries schon „Die anonymen Romantiker“. Virginie Efira ist noch als Witwe in „Birnenkuchen mit Lavendel“ zu sehen. (p. a.)