Alpen-“Endspiel“ im Burg-Vestibül: „die hockenden“ uraufgeführt
Wien (APA) - Es ist eine sandfarbene Hölle, die einen im Burgtheater-Vestibül empfängt. Aufgestellte Puppen, puppenhaft agierende Schauspiel...
Wien (APA) - Es ist eine sandfarbene Hölle, die einen im Burgtheater-Vestibül empfängt. Aufgestellte Puppen, puppenhaft agierende Schauspieler in Trachten oder Uniform-Anklängen verweisen auf den Österreich-Anteil an der beklemmenden Enge, aus der man hier nur verbal auszubrechen versucht. Das Personal von Miroslava Svolikovas „die hockenden“ ist in der Uraufführung durch Alia Luque weitgehend immobil.
Miroslava Svolikova, geboren 1986 in der damaligen CSSR und in Wien aufgewachsen, hat mit „die hockenden“ eine Art Sprechoper geschaffen, in der aus einer „Mulde“ heraus Motive zwischen Heimaterde und Kneipen-Dumpfheit anklingen. „Zwei Chöre und zwei Einzelstimmen sprechen in einer präzisen Partitur“, hieß es in der Begründung für den Retzhofer Dramapreises, der ihr gemeinsam mit Özgül Dündar zuerkannt wurde. „Die Sprache ist von großer Entschiedenheit, von einer Wucht, die sich in der grafischen Anordnung, in quadratischen, gepressten Textblöcken niederschlägt; sie ist zugleich von großem, sehr gekonntem Humor.“
Die 1978 geborene Katalanin Alia Luque, seit 2011 als freie Regisseurin tätig und im Vorjahr mit ihrer Düsseldorfer Uraufführungsinszenierung von Anne Leppers „La Chemise Lacoste“ zum Festival „Radikal Jung“ nach München eingeladen, stellt sich mit dieser Uraufführung erstmals am Burgtheater vor. Sie hat auf der von Christoph Rufer mit ockerfarbenen Vorhängen umgebenen Bühne eine Art „Endspiel“-Situation geschaffen, in der Künstlichkeit und Handicap die bestimmenden Faktoren sind.
Einige Puppen von Mozart bis Sisi, von Sigmund Freud bis zum Meinl-Mohr und von Adolf Hitler bis Conchita Wurst lassen heimische Geschichte als grottenbahnartiges Dekor präsent sein, vier Schauspieler sind in unterschiedlicher Weise am Fortkommen gehindert: Branko Samarovski sitzt, in Fantasie-Dirndl und mit Blumenkranz im Haar, in einem elektrischen Rollstuhl, fährt für gelegentliche „Exkurse“ in Zeitlupe vor und - mit dem nervenden Warn-Piepsen von Lastwägen beim Zurücksetzen - zurück. Tino Hillebrand und Laurence Rupp leihen in Rollstühlen sitzenden Halbpuppen mit eindrucksvollem Mienenspiel und gelegentlichen Einwürfen ihre Köpfe, während Marcus Kiepe in HJ-ähnlicher Uniform als einziger noch zu eigener Fortbewegung fähig ist: Am Rollator vollführt er eine endlos wiederholte groteske Choreographie zwischen Exerzieren und Exorzieren. Erst gegen Ende kommt er auch selbst zu Wort und berichtet von erlittenen Demütigungen mittels Schnapsgläsern.
Es wäre übertrieben zu behaupten, man wisse genau, was in diesen 75 Minuten gespielt wurde. Zwischen Kneipe und Grenze, Bus und Erde entsteht ein dumpfes Gefühl von latenter Gewalt, von Unterdrückung und Ausweglosigkeit, eine Art faschistischer Urgrund, der umgestochen, aber nicht analysiert wird. „Ein Feuer müsste man legen“, heißt es gegen Ende. „Am Besten brennt‘s in der Kneipe“, antwortet der Chor. Vielleicht könne man aus der Asche ja „etwas Sinnvolles herauslesen, wie aus dem Kaffeesud“.
Anerkennender Applaus am Ende. Und schon jetzt ist sicher: „die hockenden“ bleiben nicht sitzen. Bereits am Samstag (15.4.) folgt die Deutsche Erstaufführung in Leipzig.
(S E R V I C E - Miroslava Svolikova: „die hockenden“, Uraufführung, Regie: Alia Luque, Bühne: Christoph Rufer, Kostüme: Ellen Hofmann, Mit Tino Hillebrand, Marcus Kiepe, Laurence Rupp und Branko Samarovski, Burgtheater-Vestibül, Weitere Aufführungen: 19., 22., 23., 29.4., 20., 29.5., Karten: 01 / 513 1 513, www.burgtheater.at)