Buchenwald-Schau: Lager war von „Volksgemeinschaft“ akzeptiert

Weimar (dpa) - Gut sieben Jahrzehnte nach der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald bei Weimar kehren nochmals etwa 40 hochbetagte Ü...

Weimar (dpa) - Gut sieben Jahrzehnte nach der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald bei Weimar kehren nochmals etwa 40 hochbetagte Überlebende an den Ort des Schreckens zurück. Sie treibt vor allem eines an: An diesem Sonntag an der Eröffnung der überarbeiten Dauerausstellung „Buchenwald, Ausgrenzung und Gewalt 1937 bis 1945“ teilzunehmen. Fünf werden von ihren Erlebnissen und Erfahrungen berichten.

„Es ist die letzte große Ausstellung, die in der Bundesrepublik gemeinsam mit Überlebenden, Historikern, Museologen und Geschichtsdidaktikern auf den Weg gebracht wurde“, sagt der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Volkhard Knigge. Danach werde es nur noch Ausstellungen ohne die persönliche Erfahrung geben.

Buchenwald sei kein isolierter Ort des Schreckens des NS-Regimes gewesen, sondern überwiegend von der deutschen Gesellschaft akzeptiert worden, erläutert Knigge. Der Blick ins Lager zeige auch den Blick in die „deutsche Volksgemeinschaft“, die Ausgrenzung und Verfolgung anderer akzeptierte, für gerechtfertigt hielt und kaum Anstoß daran nahm. Vielmehr hätten viele davon profitiert und Geschäfte mit dem KZ gemacht. Der damalige Oberbürgermeister etwa ließ die Möbel aus Friedrich Schillers Sterbezimmer in Buchenwald nachbauen.

Auf mehr als 2000 Quadratmetern Ausstellungsfläche wird auf drei Etagen die Geschichte des KZ Buchenwald erzählt. Nur ganz behutsam wurde in die denkmalgeschützte Bausubstanz eingegriffen, um etwa den Rundgang für die Besucher zu erleichtern. 3,7 Millionen Euro haben sich der Bund und das Land Thüringen die neue Ausstellung kosten lassen; dazu kamen Eigenleistungen von etwa einer Million Euro.

Die erste Dauerausstellung nach dem Ende der DDR war im April 2015 nach 19 Jahren geschlossen worden. Sie hatte zur Eröffnung einen heftigen Streit zwischen Historikern und Überlebenden provoziert, weil die Täter und bisher vernachlässigte Opfergruppen wie Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, Sozialdemokraten oder bekennende Christen im Fokus standen. In der DDR war der Schwerpunkt auf den kommunistischen Widerstand gelegt worden.

Nach fast 20 Jahren war die alte Schau inhaltlich, methodisch und gestalterisch überholt. Neue Forschungen und Quellen konnten seitdem genutzt werden, so das Archiv des Deutschen Roten Kreuzes in Arolsen. Dorthin hatten die Alliierten nach 1945 nahezu alle SS-Akten des Lagers gegeben. So konnten fast 280.000 Häftlinge, die nach Buchenwald und den 39 Außenlagern kamen, mit Dokumenten nachgewiesen werden. Vorher war ihre Zahl mit etwas mehr als 260.000 angegeben worden.

Seltene Dokumente, zerschlissene Häftlingskleidung, zerbrochene Brillen und ein fahrbarer Galgen gehören zu den Objekten der Ausstellung. 60 repräsentative Einzelschicksale bezeugen auf Video, Tonband oder Fotos das Grauen im Lager und den Überlebenswillen der Männer, Frauen und Kinder. Erstmals thematisiert wird auch die Verfolgung vorbestrafter Kleinkrimineller, deren „schadhafte Gene“ ausgemerzt werden sollten.

Die neue Ausstellung - genau 71 Jahre nach der Befreiung - soll laut Knigge auch verdeutlichen, wie schnell 1933 das Nazi-Regime Fuß fassen konnte und liberale Grundwerte wie Geistes- und Gewissensfreiheit über Bord geworfen wurden. Diese „Brüchigkeit“ müsse für die Gegenwart sensibilisieren, in der Rassismus und antidemokratisches Denken wieder Fuß fassten.