Uraufführung: Der „heilige Doktor von Moskau“ wird zur Opernfigur
Moskau (APA/dpa) - Der deutsche Arzt Friedrich-Joseph Haass (1780-1853) war im Russland der Zarenzeit der Engel der Armen und Gefangenen. Nu...
Moskau (APA/dpa) - Der deutsche Arzt Friedrich-Joseph Haass (1780-1853) war im Russland der Zarenzeit der Engel der Armen und Gefangenen. Nun bringt die russische Schriftstellerin Ljudmila Ulitzkaja den „Heiligen Doktor von Moskau“ auf ungewöhnliche Weise auf die Bühne. Die Oper „Doktor Haass“ wird am Samstag (16. April) in der Helikon-Oper in Moskau uraufgeführt.
Erfolgsautorin Ulitzkaja („Die Lügen der Frauen“) hat damit erstmals ein Opernlibretto geschrieben, die Musik stammt vom erst 27-jährigen Komponisten Alexej Sergunin. Regie an der experimentierfreudigen Kammeroper führt Denis Asarow.
Der junge Augenarzt Haass aus Bad Münstereifel wanderte 1806 nach Russland aus, behandelte die Oberschicht bis hinauf zur Zarenfamilie. 1828 wurde er Gefängnisarzt und suchte das Los der Häftlinge im unbarmherzigen russischen Strafvollzug zu lindern. „Er hat 20 Jahre darum kämpfen müssen, dass die Sträflinge auf dem Marsch nach Sibirien leichtere Ketten bekamen“, sagte Ulitzkaja der dpa.
„Ich habe ihn von Kindheit an verehrt“, erzählt Ulitzkaja. Ihre Großmutter habe ihr das Grab des Doktors auf dem deutschen Friedhof in Moskau gezeigt, der heute Wwedenskoje-Friedhof heißt. Für Intellektuelle und Menschenrechtler in Moskau war Haass immer ein Gegenbild zu den harten herrschenden Verhältnissen.
„Die Erinnerung an ihn ist wichtig“, sagt Ulitzkaja, die auch eine Kritikerin der autoritären Regierung von Präsident Wladimir Putin ist. „Die Gesellschaft ist sehr hart geworden, sehr brutal.“ Russland behandelt seine Häftlinge immer noch ohne jedes Mitleid. Die unbeirrte Güte des Arztes hat auch den Komponisten Sergunin beeindruckt, der einer anderen Generation angehört.
In der Helikon-Oper verbinden sich die zwei Welten, in denen Haass verkehrt hat. Sitz der Oper ist ein Adelspalais mit Säulen, weißem Schleiflack und blauem Samt. Die Guckkastenbühne von Dmitri Gorbas zeigt die Gefängnismauern. Der Chor singt durch kleine Luken. Der unendliche Marsch der Häftlinge nach Sibirien, den Ulitzkaja zeigen will, findet auf einem Steg rund um das Orchester statt.
Um ein junges Publikum für Haass zu interessieren, hatte sich die Schriftstellerin immer eine Rockoper vorgestellt. Sergunin mischt aber in seinem Opern-Erstling Stile von Barock bis Neuzeit. „Es gibt sogar Punkrock“, sagt er. Der soll für den aufstrebenden High-Society-Arzt stehen. Viele Passagen sind modern, rhythmisch, ausdrucksstark. Beim Schlussbild mit dem sterbenden Haass hofft Sergunin, dass ihm eine „klingende Ikone“ gelungen ist.