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Das wird eine große Nummer

Nur nicht Schlange stehen: Ein großes Schild am Eingang leitet die Kunden in der Apotheke im DEZ zum Ticketschalter.
© Andreas Rottensteiner / TT

Anstehen ist von gestern. Immer mehr Geschäfte lassen ihre Kunden Nummern ziehen, damit sie sich nicht in der Schlange einreihen müssen. In der Wartezeit soll auch geshoppt werden.

Von Matthias Christler

Innsbruck, Wien –Ein kurzes „Dih-Döh“ hallt durch die Apotheke und zwei Kunden schauen von verschiedenen Regalen auf und zur Kassa hinüber, um zu sehen, ob ihre Nummer an der Reihe ist. Die Frau, die einen Zettel mit der Nummer 432 in der Hand hält, geht vor zum Tresen. „Das ist ja wie am Amt“, sagt eine andere Kundin überrascht, die erst am Ticket-Automaten vorbeimarschiert ist, dann umdreht und auf das neue System aufmerksam wird. Sie drückt auf den Touchscreen und zieht fast triumphierend einen Zettel, der aus dem Automaten kommt.

Nummer ziehen in einem Geschäft ist für viele Tiroler neu. Die meisten kennen das Wartesystem vom Amt oder von der Wursttheke im Italienurlaub. „In Westösterreich sind wir die erste Apotheke damit“, sagt Raimund Mestan von der Apotheke im DEZ, die seit einem halben Jahr Nummern ziehen lässt. In der Anfangszeit habe man einen Mitarbeiter am Eingang stehen gehabt, der die Kunden zum Automaten leitet und das System erklärt. Inzwischen – das zeigt auch ein kurzer Besuch in der Apotheke – zieht ein Großteil zielgerichtet die Nummern. „An einem Samstagvormittag kann der Andrang ganz schön groß sein, da hilft dieses System enorm.“ Den Kunden, weil sie nicht in der Schlange stehen müssen und sich dafür im Geschäft umschauen können. Den Mitarbeitern, weil vor der Kasse weniger Druck von hinten entsteht. „Der Kunde ist alleine bei der Beratung, die Diskretion ist dadurch gestiegen“, erläutert Mestan einen weiteren Pluspunkt.

Kaum aus der Apotheke draußen und zur Mittagszeit in einer Bäckerei-Filiale, wünscht man sich auch dort so ein System. „Wer ist der Nächste?“, fragt die Angestellte hinter der Theke und zwei Finger schnellen fast wie in der Schule nach oben, gefolgt von einem selbstsicheren „Ich“. Während es aber an den Brot- oder Wursttheken in Tirol kaum Verwendung findet, stellen Schnellrestaurants, Banken, Handyshops und zumindest in Wien bereits die Post auf das Nummernsystem um. Bei McDonald’s bestellt und bezahlt der Gast in drei Tiroler Filialen entweder an der Theke oder am Computer, danach erhält er einen Zettel mit Nummer und bekommt in der „Abholzone“ seine Speisen ausgehändigt. „Bis 2016 wird das neue Bestellsystem in allen österreichischen Restaurants umgesetzt“, kündigt Unternehmenssprecherin Christine Stundner an.

In der Bank Austria vertreibt sich eine Kundin mit einem Tablet die Wartezeit.
© Rottensteiner

In der Bank-Austria-Filiale in der Maria-Theresien-Straße wird der Kunde seit Juni vergangenen Jahres von einem Empfangsmanager begrüßt, der je nach Anliegen – Einzahlungen, neue Bankomat-Karte, Geldwechsel oder Veranlagungsgespräch – dem Kunden eine Nummer zuweist. „Bis die Nummer aufgerufen wird, kann man sich hinsetzen, lesen, es liegen auch iPads auf oder der Kunde erledigt z. B. in der Filiale etwas anderes wie Geld abheben“, gibt Matthias Raftl, Bank Austria, Beispiele, wie die Wartezeit genützt werden kann. Die meisten Kunden würden das neue Konzept gut aufnehmen, „weil sie nicht Schlange stehen müssen“.

Bei der Post, sagt Unternehmenssprecherin Kathrin Schrammel, dass ein Nummernsystem im Vergleich zum Schlangestehen nicht ausschließlich dem Kunden zuliebe in zwei Wiener Filialen derzeit getestet werde. „Wenn sich der Kunde in der Filiale umsieht, ist das natürlich auch für unser Geschäft positiv.“ Zeit ist Geld. Und verlorene Zeit in der Schlange ist verlorenes Geld.

Vor Handyshops in Einkaufszentren kann es zu Stoßzeiten schon mal vorkommen, dass Kunden wegen längerer Verkaufsgespräche vor ihnen bis zu einer halben Stunde warten müssen und deshalb frustriert wieder abziehen. Mobilfunkanbieter Drei hat u. a. bei seinem Shop im Kaufhaus Tyrol ein Ticket-System im Einsatz. Während ein Kunde nach einem Besuch im Shop erzählt, dass er das Gefühl hatte, durch das neue System werde die Wartezeit noch länger als beim normalen Anstehen, erkennt Unternehmenssprecher Tom Tesch vorwiegend positive Effekte. „Dank seiner Nummer weiß man, dass man z. B. in etwa 20 Minuten an der Reihe ist. In dieser Wartezeit kann man aus dem Geschäft gehen und im Kaufhaus etwas anderes machen.“

Im McDonald’s bestellt man am Automaten und mit der Nummer holt man sein Essen ab.
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Das Ticket-System kann in Tirol eine große Nummer werden. Und es sollte sich aus Unternehmersicht auch bei der Abrechnung positiv bemerkbar machen. Die Umstellung auf das digitale System für seine Apotheke hat sich Raimund Mestan zwar „einiges kosten“ lassen, „aber man merkt es schon am Umsatz. Die Leute gehen in der Wartezeit wirklich shoppen.“ Damit wirbt u. a. der Hersteller eines Systems auf seiner Website: „Durch das System werden Kunden automatisch angeregt, weitere Produkte von den Regalen zu kaufen, da sie sich während der Wartezeiten frei bewegen und umsehen können.“ Im kundenfreundlichen Fachjargon heißt das übersetzt: Das Einkaufserlebnis wird optimiert.

Es passt zum Zeitgeist. Touchscreens sind ohnehin nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken, außerdem muss jede freie Sekunde genutzt werden, entweder um zu telefonieren oder am Smartphone zu surfen. Oder eben zum Shoppen im Geschäft. Für die meisten Kunden ist das alles immer noch besser, als frustriert in einer Schlange zu stehen und Löcher in die Decke zu starren.

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