Mindestsicherung: Armutskonferenz weist auf „vergessene Probleme“ hin

Wien (APA) - Die Armutskonferenz vermisst in der aktuellen Debatte um die Mindestsicherung Reformüberlegungen zu „vergessenen Problemen“ wie...

Wien (APA) - Die Armutskonferenz vermisst in der aktuellen Debatte um die Mindestsicherung Reformüberlegungen zu „vergessenen Problemen“ wie fehlender Soforthilfe, veraltetem Unterhaltsrecht und zu geringen Unterstützungsleistungen für Menschen mit Beeinträchtigungen. Nicht der Missbrauch, sondern die hohe Nicht-Inanspruchnahme sei das Problem, betonten Vertreter der Initiative am Donnerstag.

„Die Sozialämter fordern Antragsteller vielerorts pauschal dazu auf, ihre Angehörigen auf Unterhalt zu klagen“, kritisierte Martina Kargl, Sozialexpertin der Caritas Wien, im Rahmen einer Pressekonferenz. „Die Folge ist, dass viele Personen von einer Antragstellung absehen“. Obwohl im Jahr 2013 laut Zahlen der Statistik Austria und der Mindestsicherungsstatistik 14,1 Prozent der Bevölkerung einkommensarm waren, erhielten nur 2,8 Prozent die Mindestsicherung. „Das heißt, es ist nicht Missbrauch das Problem, sondern die hohe Nicht-Inanspruchnahme trotz gravierender Notlage“, betonte Kargl. „Der Missbrauch liegt im Promillebereich.“

Dringenden Verbesserungsbedarf sah Kargl außerdem in Bezug auf die Soforthilfe. Auch wenn die Entscheidungsfrist von sechs auf drei Monate verkürzt wurde, brauche es in diesen drei Monaten Unterstützung bei der Miete, dem Lebensunterhalt und im Krankheitsfall. „Die Strukturen für eine effektive Soforthilfe fehlen fast überall.“

Auch im Bereich der Gesundheitsleistungen gebe es gravierende Lücken, sagte Martin Schenk, Sozialexperte der Diakonie: Therapien und Heilbehelfe wie Brillen, Hörgeräte oder ein moderner Rollstuhl seien für Bezieher der Mindestsicherung oft nicht leistbar. Im Rahmen der Reform der Bund-Länder-Vereinbarung müsse es daher auch ein erleichterter Zugang zu diesen Leistungen und eine unbürokratische finanzielle Unterstützung geregelt werden, forderte Schenk. „Obwohl seit einem halben Jahr die Debatte über die Mindestsicherung läuft, werden diese Probleme nicht angesprochen“, kritisierte er.

Zu den Forderungen der Armutskonferenz zählt auch die bessere Unterstützung von Menschen mit Beeinträchtigungen: „Menschen mit Beeinträchtigung sind eine vergessene Gruppe in der Mindestsicherung“, sagte Norbert Krammer vom Sachwalterverein „VertretungsNetz“. Diese hätten oft höhere Lebenshaltungskosten, erhielten aber in der Regel in der Mindestsicherung keine zusätzlichen Hilfestellungen. Krammer forderte statische Erhebungen, „damit diese Gruppe sichtbar wird und man besser auf ihre Bedürfnisse reagieren kann“.