Flüchtlinge - Weiter Aufregung um Brenner-Grenze in Italien
Wien/Rom (APA) - In Italien herrscht weiter Aufregung um eine mögliche Schließung der Grenze am Brenner. „Mauern werden uns nicht schützen“,...
Wien/Rom (APA) - In Italien herrscht weiter Aufregung um eine mögliche Schließung der Grenze am Brenner. „Mauern werden uns nicht schützen“, sagte der italienische Präsident Sergio Mattarella am Mittwochabend. Ein Grenzzaun sei der gemeinsamen Geschichte Österreichs und Italiens „unwürdig“, meinte Mattarellas Vorgänger, Giorgio Napolitano, in der römischen Tageszeitung „La Repubblica“ (Donnerstag-Ausgabe).
Aber nicht nur in der Brenner-Region, auch in Kärntens Nachbarregion Friaul-Julisch Venetien wächst die Sorge, dass Grenzkontrollen auch am italienisch-österreichischen Grenzübergang von Arnoldstein eingeführt werden könnten.
„Die Aussetzung des Schengen-Abkommens wäre eine Niederlage für Europa“, warnte der Bürgermeister von Tarvis, Renato Carlantoni, laut Medienangaben. Eine Delegation des österreichischen Innenministeriums habe in Arnoldstein einige Gebäude für die Einrichtung eines Polizeipräsidiums entlang der Autobahn unweit der Grenze besichtigt, berichtete der Bürgermeister.
Barrieren, die Europa trennen, seien eine Last, die „unseren Weg erschweren“, so Mattarella bei einem Treffen mit seinem deutschen Amtskollegen Joachim Gauck im Rahmen eines italienisch-deutschen Gipfeltreffens in Turin. „Eine Abkehr vom Schengen-Abkommen wäre für uns alle Selbstverstümmelung.“
Napolitano warnte vor Populismus und der Suche nach „falschen Lösungen“ für komplexe Themen wie die Flüchtlingsproblematik. Wer das Schlimmste im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise befürchte, solle seinen Mut zeigen. Es habe keinen Sinn, sich „katastrophalen Prognosen“ hinzugeben, meinte der 91-Jährige, der von Mai 2006 bis Jänner 2015 Italiens Staatsoberhaupt war und jetzt als Senator auf Lebenszeit im italienischen Parlament sitzt.
Noch drastischere Worte fand der italienische Regisseur Gianfranco Rosi. Österreich solle aus der EU austreten und „sich isolieren, wie die Schweiz. Ein Land, das Mauern errichtet, verdient es nicht, in der EU zu bleiben“, sagte Rosi im Gespräch mit der APA in Rom. Es sei „skandalös“, dass einige Länder das Schengen-Abkommen, das die „wahre Stärke Europas ist“, nicht mehr akzeptieren wollen. Länder wie Österreich, Ungarn und Polen sollten aus der EU ausscheiden und ihren eigenen glücklichen Privatraum schaffen“, erklärte der Regisseur, der für seinen Dokumentarfilm „Fuocoammare“ („Seefeuer“) über das Flüchtlingselend im Mittelmeer bei der Berlinale mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet wurde. Mauern hätten der Geschichte nie Stand gehalten und seien zum Fall verurteilt.
Ähnlich äußerte sich der Wiener Erzbischof und Kardinal Christoph Schönborn im Interview mit der Tageszeitung „La Stampa“ (Donnerstag-Ausgabe): Die Schließung der Grenzen sei das Gegenteil von „Barmherzigkeit“, von der der Papst ständig spreche. „Wo sind die Werte, die uns vereint haben? Wir haben sie vergessen. Uns droht ein Europa mit einem harten Herzen. Hinter diesem Sensibilitätsverlust steckt die Unfähigkeit, mitzufühlen. Das ist ein Verlust an Menschlichkeit, eine neue Form von Heidentum“, so Schönborn. Papst Franziskus wird am Samstag auf der griechischen Ägäis-Insel Lesbos erwartet. Die Vorbereitungen dafür liefen am Donnerstag auf Hochtouren.
Seit Jahresbeginn sind nach Angaben des Innenministeriums in Rom 23.957 Migranten in Italien eingetroffen, das sind 55 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum 2015 und 4.000 mehr als im Rekordjahr 2014 als 170.000 Migranten eingetroffen waren. Das Innenministerium sucht dringend noch 15.000 Unterkünfte für die Migranten. Italien versorgt zurzeit 110.000 Flüchtlinge.