Verdächtige Schweizer Konten: „Dimension dieses Steuerbetrugs riesig“
Düsseldorf (APA/sda/Reuters/AFP) - Schweizer Banken droht womöglich bald mit weiteren Ländern Ungemach im Steuerstreit, und ihren Kunden aus...
Düsseldorf (APA/sda/Reuters/AFP) - Schweizer Banken droht womöglich bald mit weiteren Ländern Ungemach im Steuerstreit, und ihren Kunden aus der ganzen EU wohl auch. Die Finanzverwaltung des deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen hat verdächtige Kontodaten mit Guthaben von rund 100 Milliarden Schweizer Franken - rund 93 Mrd. Euro - an 27 Staaten weitergegeben, darunter an Österreich.
Die Daten stammten von Steuer-CDs, die das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) in der Vergangenheit gekauft und ausgewertet habe, sagte der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, Norbert Walter-Borjans am Donnerstag in Düsseldorf. Der Minister nannte die Dimension dieses Steuerbetrugs „riesig“.
Die Daten bezögen sich auf Konten in der Schweiz. „Wir haben es mit einer regelrechten Hinterziehungsindustrie zu tun“, sagte der Minister. „Wenn Steuerhinterzieher sich internationaler Kanäle bedienen, müssen die Steuerfahndungen ebenfalls grenzüberschreitend zusammenarbeiten.“
Die Daten enthalten große Anlagesummen aus anderen Ländern. Allein aus Großbritannien seien es über 10 Mrd. Franken gewesen, aus Spanien 9,5 Mrd. Franken. Insgesamt umfasse die Liste ein Anlagevolumen von 101,57 Mrd. Franken. Bei diesen Geldern sei nun zu prüfen, ob die Erträge ordnungsgemäß versteuert wurden oder nicht.
Die Weitergabe der Datensätze an europäische Staaten stand nach den Worten von Walter-Borjans nicht im Zusammenhang mit den jüngsten Enthüllungen über Briefkastenfirmen in Panama. Es gebe aber „definitiv Überschneidungspunkte“ zwischen den neuen Erkenntnissen aus den sogenannten Panama-Papieren und dem Ergebnis der bisherigen Nachforschungen von NRW-Steuerfahndern, fügte Walter-Borjans hinzu.
Bei der Auswertungen der CDs sei auch die umstrittene Anwaltskanzlei Mossack Fonseca aufgetaucht, die im Mittelpunkt eines Skandals um Briefkastenfirmen in Panama steht, die die Kanzlei für Tausende Kunden eingerichtet hat. Die Daten zu den 100 Milliarden Franken hätten damit aber nichts zu tun - diese stünden im Zusammenhang mit der Schweiz.
Es dauere in der Regel rund sechs Wochen, bis die ersten Steuersünder sich nach Berichten über neue Steuerhinterziehungen bei den Behörden meldeten. Insgesamt habe der Betrug eine Dimension, dass die öffentlichen Haushalte ohne ihn „ganz andere Möglichkeiten hätten“. Der Fall Mossack Fonseca in Panama sei kein Unikat, sagte Walter-Borjans.
Nordrhein-Westfalen hatte in der Vergangenheit 11 CDs mit Insider-Informationen über Steuerhinterzieher gekauft. Wie die Datenträger zeigten, hatten zahlreiche Steuersünder Gelder bei Schweizer Banken versteckt. Rund 22.000 von ihnen zeigten sich selbst an, allein in Nordrhein-Westfalen fielen in Folge der Datenkäufe über fünfeinhalb Jahre Mehreinnahmen des Fiskus von rund 2,1 Mrd. Euro an. NRW sei „Schrittmacher“ beim Aufdecken von Steuerhinterziehung, sagte der SPD-Politiker. Doch die Steuerfahnder stießen nicht nur auf Informationen zu deutschen Firmen und Bürgern, die ihr Geld am Fiskus vorbeigeschleust hatten. Unter anderem Griechenland hatte die NRW-Finanzverwaltung bereits mehr als 10.000 Datensätze zur Verfolgung von Steuerhinterziehung zur Verfügung gestellt.