Bundespräsidenten-Wahl

„Mit Hofer drohen Neuwahlen“: Andreas Khol im TT-Interview

Nach exakt fünf Monaten brach Andreas Khol sein Schweigen. Er bezeichnet den Präsidentschaftswahlkampf als "Krönung meiner Laufbahn."
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ÖVP-Präsidentenschaftskandidat Andreas Khol warnt vor einem Bundespräsidenten Norbert Hofer. Die Umfragen zur Wahl nennt er Larifari. Über seiner Erkenntnisse im Wahlkampf will er ein Buch schreiben.

Mussten Sie Ihre Frau nach der niederösterreichischen ÖVP-Rochade zwischen der bisherigen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka lange überreden, im Wahlkampf nicht die Flinte ins Korn zu werfen?

Khol: Überhaupt nicht. Wer meine Frau in den vergangenen Tagen miterlebt hat, weiß, dass diese Meldung über meine Frau eine reine Zeitungsente war.

Hundstorfer und sein Verein: Sozialbetrug?

ÖVP-Präsidentschaftskandidat Andreas Khol fährt scharfe Geschütze gegen den SPÖ-Konkurrenten Rudolf Hundstorfer auf: Dieser solle prüfen, ob das Anstellungsverhältnis bei seinem Unterstützungsverein (Gehalt: 13.090 Euro) nicht den Tatbestand des Sozialbetrugs erfülle. Hundstorfer selbst begründe die Konstruktion mit der Sozialversicherung. Genau das ist laut Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz aber verboten, wenn damit keine unselbstständige Erwerbstätigkeit verbunden sei. Und, so Khol: „Kandidat zu sein ist keine unselbstständige Erwerbstätigkeit.“ Der ÖVP-Kandidat hat mit Hundstorfer aber auch eine andere Rechnung offen. Der Ex-Minister hatte im TT-Interview eine Khol-Aussage zum Anschluss 1938 („Österreich als Staat war Opfer, Österreicher waren auch Täter“) kritisiert. Die Ereignisse seien anders gewesen, als Khol sie jetzt zu „konstruieren“ versuche. Khol kontert mit Aussagen von Ex-Kanzler Franz Vranitzky (aus 1991) und Bundespräsident Heinz Fischer (2013), die ihn bestätigen. Und, Bruno Kreisky zitierend: „Lernen Sie Geschichte, Herr Hundstorfer!“

Sie haben auch nicht ans Aufgeben gedacht?

Khol: Ich denke, diese Ministerrochade hilft mir eher. Ich will jetzt Ereignisse im Nachhinein nicht zur Strategie erklären. Aber unsere Veranstaltungen sind doppelt so gut besucht wie erwartet.

Sind Sie ein Gefangener ihrer eigenen Loyalität der ÖVP gegenüber?

Khol: Nein, schau ich so leidend aus?

In den Umfragen wird Ihnen ein fast unaufholbarer Rückstand ausgewiesen. Wo können Sie in den verbleibenden Tagen noch an Meter gutmachen?

Khol: Die Umfragen haben keinen Prognosewert. 30 Prozent der Befragten schwanken zwischen mehreren Kandidaten, 20 Prozent haben sich noch gar nicht entschieden. Von den veröffentlichten Umfragen ist vieles Larifari.

Was bedeutet dies für Sie für die kommenden Tagen?

Khol: Mobilisierung in der Steiermark, Kärnten und in Oberösterreich. Die Senioren werden jetzt aktiv Hausbesuche betreiben. Und die spät entschlossenen Wähler werden in den verbleibenden zehn Tagen einen bunten Khol kennenlernen, der nicht in die Schublade passt, wo man mich bislang so gerne hineingesteckt hat.

Wollen Sie sich inhaltlich noch mit Ihren Gegenkandidaten auseinandersetzen, um Sympathisanten von Irmgard Griss und Norbert Hofer auf Ihre Seite zu ziehen?

Khol: Der Wahlkampf ist nicht durch Inhalte und Diskussion gekennzeichnet, sondern durch Eierspeis‘ und Umfragen. Außer Machtfragen sprechen meine Gegenkandidaten keine Inhalte ein. Ich versuche Inhalte zu setzen, aber sie werden nicht diskutiert.

Dann werden wir inhaltlich. Wie geht es Ihnen dabei, wenn jetzt am Brenner die Bagger auffahren, dort Zäune errichtet werden und man daran denkt, Soldaten zur Grenze zu schicken?

Khol: Das berührt mich zutiefst, es wird auch meine Kindheit wach, als ich am Brenner abgeschoben worden bin. Für mich war in meiner Kindheit der Brenner eine schlimme Grenze. Es war daher einer meiner schönsten Tage in meinem Leben, als die beiden Landeshauptleute Wendelin Weingartner und Luis Durnwalder symbolisch die Grenzbalken am Brenner entfernt haben.

Und knapp 20 Jahre später will die Bundesregierung diese Grenzbalken wieder errichten.

Khol: Ich möchte eine europäische Lösung. Deshalb werde ich als Bundespräsident versuchen, hier eine Koalition der Willigen zustande zubringen, um die Außengrenze zu schützen.

Der Brenner ist nicht irgendeine Grenze.

Khol: Ich gehe davon aus, dass jedem in der Regierung die historische Dimension der Brennergrenze bewusst ist. Aber in Tirol wird die Politik von der Bevölkerung bestürmt, man möge dafür sorgen, dass Tirol nicht zum Lager und Stauraum der abgewiesenen Flüchtlinge wird.

Und jetzt soll Südtirol zum Stauraum werden?

Khol: Es ist die Aufgabe der Politik, die eigenen Leute zu schützen.

Da ist Ihnen also das Nordtiroler Hemd näher als der Südtiroler Rock?

Khol: Als österreichischer Politiker, der sich um das höchste Amt im Staate bewirbt, muss das Nordtiroler Hemd näher sein. Mein Ziel ist es, Bürgerpräsident zu sein. Und die klare Mehrheit der Bürger ist dagegen, den Brenner als eine Art offenen Scheunentor zu sehen. Ich denke, dass jetzt auch die Italiener wissen, dass sie mit dem Durchwinken aufhören müssen. Insofern helfen wir damit auch den Südtirolern. Die klare Haltung Österreichs entlang der Balkanroute wird auch am Brenner umgesetzt, damit Schengen ernst genommen wird.

Im Zusammenhang mit dem Brenner steht auch die Verschärfung beim Asylgesetz. Sie unterstützen diese Vorgangsweise der Bundesregierung?

Khol: Ja, weil die europäischen Asylgesetzgebung oder die Genfer Konvention nicht für Kriegsflüchtlinge und Massenzuwanderung gedacht waren, sondern für die politische Verfolgung, für Einzelfälle. Die Genfer Flüchtlingskonvention ist ein Kind des Zweiten Weltkriegs und der NS-Zeit.

Das verschärfte Asylgesetz soll auch ohne die übliche Begutachtung durch das Parlament. Sie waren Nationalratspräsident. Hätte sie hier eine breite Begutachtung eingefordert?

Khol: Die Asylgesetzgebung wurde monatelang einem Begutachtungsverfahren unterzogen.

Da ging es um „Asyl auf Zeit“. Aber jetzt sind weitere Verschärfungen hinzugekommen.

Khol: Ich bin hier der Meinung von Nationalratspräsidentin Doris Bures. Formalrechtlich ist die Begutachtung kein Muss. Die Bundesregierung hätte auch einen anderen Weg wählen können, jenen des Abänderungsantrags in Zweiter Lesung. Da hätte es überhaupt keine Begutachtung bedurft. Ich unterstützte den Mittelweg der Bundesregierung. Romantiker wollten die Grenze öffnen, die Hetzer wollen alle ausschließen, die Bundesregierung will Flüchtlinge aufnehmen, so lange es für das Land und seine Bürger verkraftbar ist.

Das Asylgesetz wird verschärft, Grenzen werden errichtet, bei der Gesetzgebung argumentiert man mit Notstand. Was passiert da gerade?

Khol: Ganz Europa steht auf dem Prüfstand. Es ist die Pflicht des Bundespräsidenten, die Linie so zu bestimmen, dass in Österreich eben keine Flüchtlingsheime brennen.

Erleben wir jetzt einen Rechtsruck?

Khol: Die österreichische Regierung hat eine Position der Mitte.

Kommen wir zum Wahlkampf zurück. Sie forderten unter anderem ein Ministerhearing ein?

Khol: Das fordere ich schon seit zehn Jahren. Ich wäre auch dafür, im Fernsehen diese Hearings zu übertragen.

ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner kritisierte den Wahlkampf zuletzt als Dschungelcamp. Muss man als Kandidat jeden Blödsinn mitmachen?

Khol: Alexander Van der Bellen und ich bemühen uns jedenfalls, auch im Wahlkampf der Würde des Amtes zu entsprechen. Eierspeis kochen tue ich sicher nicht.

Wie groß ist die Gefahr, wenn Bundespräsidenten-Kandidaten laut darüber nachdenken, eine Regierung zu entlassen?

Khol: Ich denke, bei Norbert Hofer ist die Gefahr groß. Was passiert, wenn eine Bundesregierung entlassen wird? Dann gibt es Neuwahlen. Mit Blick auf die aktuellen Meinungsumfragen ist das das Kalkül der FPÖ.

Es gibt die Tradition, dass der Bundeskanzler nach der Wahl des Bundespräsidenten formal seinen Rücktritt anbietet. Würde sie Werner Faymann vor diesem Schritt abraten, wenn Hofer Bundespräsident ist?

Khol: Das muss jeder selbst wissen.

Steht Österreich vor einer Zeitenwende?

Khol: Was wir erleben ist eine Umorientierung des Parteiensystems. Damit wird auch die Rolle des Bundespräsidenten künftig so wichtig. Österreich steht jedenfalls vor einer Systemwende.

Sie führen bei allen Kandidaten in puncto Erfahrung, und übernehmen bei der Sympathie das Schlusslicht. Ist das Ihrer Zeit als Klubobmann geschuldet?

Khol: Sicherlich. Als Klubobmann hatte ich immer in der Rolle des strengen Klassenvorstands einzunehmen. Aber ich bezweifele diese Umfragewerte.

Sollten Sie es nicht schaffen, Bundespräsident zu werden. Bleiben Sie dann der Politik erhalten?

Khol: Das überlege ich mir am 22. Mai.

Kehren Sie zurück an die Spitze des Seniorenbundes?

Khol: Ich habe kein Rückkehrrecht.

Sie haben bald vier spannende Monate als Präsidentschaftskandidat erlebt. Wollen Sie darüber ein Buch schreiben?

Khol: Eine gute Frage. (denkt kurz nach) Ich haben in diesen vier Monaten noch so viele neue Facetten über das politische System in Österreich dazugelernt, dass ich darüber jedenfalls ein Buch schreiben möchte. Egal ob ich in der Hofburg sitze oder nicht. Mit einem nächsten Buch von mir ist zu rechnen.