Rewe-Chef besorgt um „deflationäre Tendenzen“
Wien/Wiener Neudorf (APA) - Rewe-Chef Frank Hensel sieht sein Geschäft von „deflationären Tendenzen“ bedroht und stellt auch die Politik der...
Wien/Wiener Neudorf (APA) - Rewe-Chef Frank Hensel sieht sein Geschäft von „deflationären Tendenzen“ bedroht und stellt auch die Politik der EZB in Frage. Er persönlich könne sich nicht vorstellen, dass sich eine Volkswirtschaft unter diesen Bedingungen weiterentwickeln könne, sagte der Chef des Handelsriesen Rewe (Billa, Merkur, Penny, Bipa und Adeg) Donnerstagabend bei einem Pressegespräch in Wien.
Gleichzeitig räumte Hensel ein, dass „wir auch selbst Verursacher unserer Deflation sind“ - also rückläufiger Preise. Der Anteil der Aktionen sei erneut leicht gestiegen und liege nun bei über 30 Prozent. „Der Österreicher ist ein Aktionskunde“, sagte Hensel. Im Vorjahr erhöhten sich die Preise für Lebensmittel im Schnitt etwas unter der allgemeinen Teuerung von 0,9 Prozent. Die Rewe-interne Inflation sei bei der Hälfte, sprich 0,45 Prozent, gelegen. Besonders stark war der Preiskampf laut Hensel im Drogeriebereich, was sich bei Bipa in einem Umsatzrückgang um 1,1 Prozent bemerkbar machte.
Während das Geschäft bei Billa und Merkur im Vorjahr rund lief, hatte das Unternehmen mit seiner Diskontlinie Penny etwas härter zu kämpfen. Die Konkurrenten Hofer und Lidl rüsteten enorm auf, Hofer mischte den Markt mit seinen Aufbackstationen auf. „Frisch aufgebackene Ware war eine Domäne von Penny. Das hat Penny getroffen“, so Hensel. Den Rückgang bei Backwaren kompensierte der Händler mit Hilfe seiner anderen Handelsketten und investierte mehr Geld in den Bereich Mehlspeisen.
Mehr Geld wird Rewe künftig auch in das Wachstumssegment Online stecken. Bei Billa stiegen die Online-Umsätze im Vorjahr um 130 Prozent, bei Bipa um 30 Prozent. Billa sei zwar schon seit 2004 im Online-Geschäft tätig, der neu gestaltete Online-Shop sowie die Ausdehnung auf ganz Österreich im vergangenen Jahr hätten aber einen enormen Schub gebracht. Da man bereits „aus allen Nähten platze“, wird demnächst im Raum Wien ein kleines Lager für das Online-Geschäft angeschafft. Ein eigener Merkur-Online-Shop soll in den nächsten Wochen starten - zugestellt wird vorerst aber nur Wien.
Eine Prognose, wie viel der Versand von Lebensmitteln einmal einspielen soll, gab Hensel nicht. Die Vorhersagen zum Thema online der letzten zehn Jahre seien alle falsch gewesen, sagte er. Derzeit agiert Rewe nach dem Motto „Dabei sein ist alles“. Geld verdiene man damit noch nicht, gab Hensel unumwunden zu. Die Gefahr, Marktanteile zu verlieren, ist dem Konzern aber zu groß.
Wachstum will der Händler einerseits aus den Segmenten Regionalität und Bio lukrieren, andererseits würden Fertiggerichte und „to-go“Produkte immer wichtiger. Ein „großer Trend“ seien auch vegane und vegetarische Produkte.
Das Flächenwachstum hat Rewe in Österreich im Großen und Ganzen abgeschlossen. Der Konzern verfügt hierzulande über 2.500 Filialen quer durch alle Schienen. Pro Jahr kommen etwa 50 neue Filialen dazu, gleichzeitig fallen aber genauso viele schlechte Standorte weg. Aus der Zielpunkt-Pleite sicherte sich Rewe 25 Standorte, die sich jedoch nur in einem Nettozuwachs von 8.000 m2 bemerkbar machen würden, so Hensel. Die Wettbewerbshüter verpassten Rewe harte Auflagen - wie etwa die Schließung zahlreicher nahe gelegener eigener Filialen. Die Übernahme der Zielpunkt-Filialen habe daher fast keine Effekte.
Die Steuerreform hält Hensel grundsätzlich für eine „gute Sache“, wenngleich noch nicht wirklich Effekte im Konsum zu erkennen seien. „Der Politik ist es nicht gelungen, die positive Message unter die Leute zu bringen“, kritisierte der Manager. Zudem seien die Monate Jänner und Februar im Haushaltsbudget der Menschen grundsätzlich kritisch, weil hier oft Zahlungen für das gesamte Jahr - wie Versicherungen - anfielen. Die hohe Arbeitslosigkeit ist dem Konsum freilich auch nicht förderlich.
Der deutsche Rewe-Konzern gab kürzlich das beste operative Ergebnis der Firmengeschichte bekannt. Das Unternehmen verdiente 587 Mio. Euro, um 12 Prozent mehr als im Jahr davor. Unter dem Strich verbesserte sich der Gewinn um 22 Prozent auf 383 Mio. Euro. Österreich hatte daran einen „großen Anteil“, sagte Hensel. Für Österreich und Osteuropa gibt der Konzern allerdings keine Ertragskennzahlen bekannt.
~ WEB http://www.rewe-group.at ~ APA623 2016-04-14/21:34