Ein Kratzen an der Oberfläche: „Die kleinen Füchse“ in der Josefstadt
Wien (APA) - Freundlich, mitfühlend, liebenswert? Nein, so jemanden gibt es hier nicht. In Lillian Hellmans „Die kleinen Füchse“ wird schnel...
Wien (APA) - Freundlich, mitfühlend, liebenswert? Nein, so jemanden gibt es hier nicht. In Lillian Hellmans „Die kleinen Füchse“ wird schnell klar, dass keine der auftretenden Figuren etwas anderes als den eigenen Vorteil verfolgt. Angesiedelt in einem zeitlich nicht näher definierten, aber jedenfalls rassistischen Süden der USA, darf aktuell im Theater in der Josefstadt in Missgunst und Hass gebadet werden.
Familie Hubbard, wohlbetuchte Baumwollplantagenbesitzer, hat es nicht leicht - jedenfalls aus ihrer Sicht. Immer gäbe es mehr zu tun, mehr zu verdienen. Allerdings muss man sich darüber erst mal einig werden. Die beiden aalglatten Brüder Ben (Andre Pohl) und Oscar (Tonio Arango) sind aber auf dem besten Weg, einen Deal mit einem New Yorker Geschäftsmann abzuschließen. Doch brauchen sie dafür das Geld ihrer Schwester Regina (Sandra Cervik) - oder besser gesagt, das ihres kranken Ehemanns Horace (Herbert Föttinger). Aber egal. „Es bleibt doch alles in der Familie“, wie Ben weiß.
Ja, es bleibt alles in der Familie. Die Ablehnung, das hinter dem Rücken des anderen Pläne schmieden, um die nötigen Anteile auf die eigene Seite zu holen. Auch Regina, die beim Erbe noch den Kürzeren gezogen hat, sieht jetzt ihre Chance gekommen, endlich wirklich reich zu werden. New York, ein schillerndes Leben, all das ruft sie, weg aus der Einöde und der Zweckehe, wie man später erfahren soll. Nur hat Horace, in das Vorhaben notgedrungen eingeweiht, ganz andere Pläne, als er schließlich sichtbar geschwächt von einem monatelangen Krankenhausaufenthalt zurückkommt.
Die Verschränkungen, Beziehungen, Abneigungen, sie sind schnell dargelegt in der Inszenierung von Torsten Fischer. Schon nach wenigen Minuten macht die Premiere am Donnerstagabend aber auch deutlich, dass diese Dinge nicht tief gehen. Sie bleiben an der Oberfläche, auch wenn sich das Geschwistertrio mit noch so viel Leidenschaft gegenseitig ans Messer liefern möchte. „Die herrschende Elite“, wie sie vom New Yorker Partner William Marshall (Roman Schmelzer) genannt werden, nein, das sind sie offenbar nicht. Beziehungsweise nicht mehr. Schon eher wirken die Figuren wie Abziehbilder aus einer Seifenoper, der man statt einer ausgewogenen Balance von Drama und Humor jeglichen Spaßanteil entzogen hat.
Auch das Bühnenbild (Herbert Schäfer und Vasilis Triantafillopoulos) unterstreicht diesen Eindruck: Meterhohe Glasfassaden in einer kalten, von sterilem Weiß dominierten Zimmerskizze lassen da eher an Industrie-Chic denn Villenatmosphäre denken. Unterstützt wird das durch eine Stiegenkonstruktion, die scheinbar mehr dem Ab- denn Aufstieg zu dienen scheint. Es ist keineswegs die Frage, wer hier letztlich profitiert, sondern eher, wer heil aus dieser Sache rauskommen wird. Und eigentlich ist das niemand. Wobei: Regina scheint ihren Willen zu bekommen, zumindest zum Teil.
Die letzte Saisonpremiere hinterlässt in der Josefstadt gemischte Gefühle. Während sich das Spiel stockend entfaltet und die Figuren zwar zueinander, aber nicht miteinander zu reden scheinen, sind es zwischenzeitliche Ausbrüche, die diesen „Füchsen“ wieder Leben einhauchen. Föttinger darf als gezeichneter Horace nach der Pause herrlich Gift und Galle spucken, während Martina Stilp als Außenseiterin Birdie die Gehässigkeiten nur mit viel Wein erträgt, dabei aber zusehends ins Absurde abdriftet. Eine gelungene Note Extravaganz, die der Dynamik gut tut.
Sandra Cervik bleibt als im Auge des Sturms stehende Regina hingegen unnahbar. Millionen verschwinden, der Tod hält Einzug - es kratzt bloß an der Oberfläche dieser Frau. Der Wechsel von abgebrüht zu schrill und wieder zurück gelingt - wie für das ganze Ensemble - zwar ansatzlos, aber auch kaum nachvollziehbar. „Die kleinen Füchse“ bleiben somit lediglich leere Hüllen, die nach Projektionen rufen. Dennoch gab es vom Premierenpublikum nach gut zwei Stunden mehr als freundlichen Applaus für das gesamte Team, besonders Föttinger und Cervik wurden gefeiert.
(S E R V I C E - Lillian Hellman: „Die kleinen Füchse“, in einer Übersetzung von Bernd Samland. Regie: Torsten Fischer, Bühne und Kostüme: Herbert Schäfer und Vasilis Triantafillopoulos, Dramaturgie: Herbert Schäfer, Licht: Manfred Grohs; Mit Salka Weber, Oama Richson, Martina Stilp, Tonio Arango, Matthias Franz Stein, Sandra Cervik, Roman Schmelzer, Andre Pohl, Alma Hasun und Herbert Föttinger. Theater in der Josefstadt, Josefstädter Straße 26, 1080 Wien. Nächste Aufführungen am 15., 19., 20., 25., 26. und 27. April. Infos und Tickets unter www.josefstadt.org)