Verloren im digitalen Verlies: „Cellar Door“ im Schauspielhaus Wien
Wien (APA) - Der Weg in die „Shadow Pits“ ist ein einfacher, jedenfalls in der digitalen Welt: Ein Nickname sowie ein Passwort reichen aus, ...
Wien (APA) - Der Weg in die „Shadow Pits“ ist ein einfacher, jedenfalls in der digitalen Welt: Ein Nickname sowie ein Passwort reichen aus, schon wird man Teil von Thomas Bo Nilssons eigenwilligem Gedankenspiel. Der schwedische Installationskünstler hat mit „Cellar Door“ für das Schauspielhaus Wien eine 504 Stunden andauernde Performance erdacht, die zwischen Theater, Labyrinth und Online-Spiel oszilliert.
Am Donnerstagnachmittag um 17 Uhr haben sich die Tore für reale Besucher im neunten Wiener Bezirk erstmals geöffnet: Es ist eine „verschlafene Kleinstadt“, die laut Angaben des Schauspielhauses ihre dunklen Auswüchse in dem verzweigten Kellersystem auslebt. 21 Tage und 21 Nächte wird dieses von knapp 40 Performern mit Leben erfüllt und zweimal pro Tag für Menschen von außen zugänglich. Das heißt: Wenn man auf physische Interaktion steht. Der digitale Austausch ist hingegen - theoretisch - jederzeit möglich. Denn die Vorkommnisse der Unterwelt lassen sich bequem vom Laptop aus beobachten.
Für den Zugang muss man über 16 Jahre alt sein, liest man zunächst. Beim nächsten Klick erscheint schon die rudimentäre Visualisierung eines erhängten Mädchens neben dem Text - ein kleiner Vorgeschmack auf die Stimmung, die in weiterer Folge evoziert werden soll. Denn die „Shadow Pits“, in die man nun gelangt, sind offenbar eine Kampfarena, die an Horrorfilme erinnert. Mit allerlei satanisch-anmutenden Grafiken versehen, wird der User davor noch mit Acetonia bekannt gemacht, der Herrscherin in diesem Reich. Sie schickt ihre Dronen ins Rennen - zu welchem Zweck wird allerdings nicht so schnell klar.
Immerhin wird verraten, dass man eingreifen kann. Draganfly Tango, Sparkie T. Ranger oder Zero Tech Zero 2300 lauten die Namen der Figuren, die zur Auswahl stehen. In einem Chat begegnet man diesen Wesen, kommt schnell in Kontakt und wird in einen separaten Raum geladen. Um sich hier allerdings zurecht zufinden, braucht es ein bisschen Zeit: Neun Videofenster öffnen sich, für jede Drone eines, allerdings funktionieren nicht alle. Stimmen und Geräusche prasseln über den User herein, es ist die Zeit der offenen Performance. Wer hier allerdings Besucher und wer eingeweihter Bewohner der „Shadow Pits“ ist, bleibt ein Rätsel.
Die Kontrolle zu bewahren, erscheint schwierig. Die Drone hat nämlich einen ausgeprägten Sinn für die eigenen Vorlieben, wie schnell klar wird. „Ich hole die Kämpfer. Wie sind deine Präferenzen?“, wird man gefragt. Welche Kämpfer, ja welcher Kampf - all das bleibt im Dunkeln. Ein Blick zurück in die anderen Räume zeigt Menschen vor Spiegeln, am Boden lümmelnd, laut lachend und durch die Gänge huschend. Plötzlich schreckt man hoch, weil eine Tür mit einem lauten Knall zugeschlagen wird. Details sind nur schwer auszumachen, weil die Videoübertragung stark verpixelt ist und immer wieder ruckelt.
Will man das Warten mit einem Gespräch überbrücken, stößt man schnell an Grenzen: Wirklich näher kommt man den Protagonisten nicht. Währenddessen kommt es im Eingangsraum des Chats zu einem regen Austausch zwischen den Usern, der für Neulinge erste Hinweise liefert, wie das hier so abläuft. Ein Blick auf die im Spiel beigefügte Karte, in die Regeln (etwa für Level 1: „Weapons may be used on fingers“) lässt zwar das ganze Vorhaben ebenfalls in Richtung interaktives Spiel driften, aber man merkt doch recht deutlich: In diesem Keller hat alles ein Eigenleben. Insofern handelt es sich derzeit bloß um einen ersten Einblick in das, was sich noch bis zum 5. Mai weiterentwickeln kann.
(S E R V I C E - „Cellar Door“, eine 504-Stunden-Installation von Thomas Bo Nilsson. Regie: Thomas Bo Nilsson, Jens Lassak, Julian Wolf Eicke; Bühne und Kostüme: Thomas Bo Nilsson, Julian Wolf Eicke; Maskenbau: Anna Panzenberger; Musik und Sounddesign: Jacob Suske. Täglich bis 5. Mai, öffentliche Termine immer um 17 und 21 Uhr. Schauspielhaus Wien, Porzellangasse 19, 1090 Wien. Weitere Infos und Tickets unter www.schauspielhaus.at; Zugang zum Online-Auftritt von „Cellar Door“ unter http://lexlydia.net)
(B I L D A V I S O – Pressebilder zu „Cellar Door“ stehen unter http://schauspielhaus.at/presse/media zum Download bereit.)