Der malerische Mehrwert hinter dem Abbildbaren
Die Malerin und Grafikerin Claudia Hirtl bekommt heute im Innsbrucker Landhaus den Tiroler Landespreis für Zeitgenössische Kunst 2016.
Von Edith Schlocker
Innsbruck –Claudia Hirtl hat zwar schon mehrere Preise für ihre Kunst bekommen, in Tirol aber noch keinen. Weshalb sie „schon sehr überrascht“ gewesen sei, als ihr vor ein paar Wochen Tirols Kulturlandesrätin Beate Palfrader persönlich telefonisch mitgeteilt habe, dass sie die Trägerin des mit 5500 Euro dotierten Tiroler Landespreises für Zeitgenössische Kunst 2016 sein wird.
Ist die seit vielen Jahren in Wien lebende 62-Jährige doch als Malerin und Grafikerin in den letzten Jahren in ihrer Heimat kaum präsent. Wenn auch im Landhaus einige ihrer Bilder hängen bzw. im Depot des Tiroler Landesmuseums darauf warten, gehängt zu werden. Es sei halt nicht einfach, die idealen Orte für die Präsentation ihrer meist großformatigen und oft mehrteiligen Bilder zu finden, wenn auch Claudia Hirtl schon der eine oder andere einfallen würde: „bescheiden“ wie sie ist etwa die Innsbrucker Taxisgalerie oder der Biennalepavillon Österreichs in den venezianischen Giardini. Angesichts der Erinnerung an ihre große Personale 2002 im Haller Salzlager, wo Hirtl 141 ihrer Bilder wie die Seiten eines riesigen Buches von der Decke hängen ließ, stimmt es allerdings schon traurig, dass man etwas ähnlich Eindrucksvolles in absehbarer Zeit wohl nicht erleben wird.
Denn Claudia Hirtl ist als Mensch wie als Künstlerin eine Einzelgängerin, eine aus Prinzip Widerständige, die sich nie verbiegen ließ, auch nicht von Wolfgang Hollegha, ihrem Lehrer an der Wiener Akademie der bildenden Künste. Was ihren Weg, der sie für längere Zeit auch nach Schottland, Paris, New York und Japan geführt hat, zu einem einsamen macht. In dieser Kompromisslosigkeit ermöglicht durch treue Sammler ihrer sehr speziellen Kunst.
Die auf einen ersten Blick sehr schön, wenn auch irritierend fremd daherkommt. Erinnern die Zeichen, die sie gern auf großen Leinwänden ausbreitet, nicht ohne Grund an japanische Kalligrafien. Verdichtet allerdings zu einem „sehr persönlichen Alphabet“, zu „Malerei gewordenem Denkmaterial“. Um in diesem sehr konzeptuellen Tun, in dem fast nichts zufällig ist, die großen Fragen des Menschseins zu umkreisen, ohne schlüssige Antworten zu wissen. Denn „es geht mir primär schon um die Message, das Mehr, das hinter dem Abbildbaren und Erklärbaren liegt“, sagt die in östlichen wie westlichen Philosophien beschlagene Claudia Hirtl.
Obwohl ihre Kunst unverkennbar ist, unterliegt sie doch einem ständigen leisen Wandel. Die Phase der strengen Reduktion auf nur ein auf eine monochrome Farbfläche gesetztes Bildzeichen wurde abgelöst durch ein bisweilen sehr malerisches Spiel mit changierenden Farben und großen Formen. Um mit den Jahren zunehmend freier zu werden. Malerisches und Grafisches liefern sich heute spannungsgeladene Duelle, Scharfes tritt in Konkurrenz mit Diffusem, die prinzipielle Klarheit der Formen wird relativiert durch poetische Ausfransungen. Konsequent bleibt Claudia Hirtl allerdings in ihrer Selbstbeschränkung auf nur zwei Farben pro Bild. Als „Garant für Spannung innerhalb der komplexen Möglichkeiten des Minimalen“, wie sie sagt.
Mit je 2550 Euro dotierte Förderpreise gehen an die Schwazer Malerin Susanne Kircher-Liner, die in Wien lebende Haller Konzeptkünstlerin Simona Obholzer und den ebenfalls in Wien lebenden Osttiroler Fotografen Lukas Schaller. Die Preisverleihung findet heute um 18 Uhr im Großen Saal des Landhauses 1 in Innsbruck statt.