Alle Augen auf Brooklyn - Sanders und Clinton im letzten TV-Duell

New York/Washington (APA/dpa) - Das Geplänkel beginnt schon draußen am Eingang. „I believe that she will win! I believe that she will win!“ ...

New York/Washington (APA/dpa) - Das Geplänkel beginnt schon draußen am Eingang. „I believe that she will win! I believe that she will win!“ Dutzende Unterstützter Hillary Clintons haben sich an der Einfahrt zum Navy Yard postiert, halten dunkelblaue Schilder in die Luft und versichern einander, dass ihre Favoritin die Wahlen in den USA gewinnen wird. Trommelschläge, Jubelschreie.

Auf der anderen Straßenseite stehen Bernie Sanders‘ Anhänger und wirken irgendwie mürrisch. Ein bisschen neidisch schauen sie auf das Clinton-Lager, die meisten schweigen.

Schauplatz Brooklyn. Das letzte TV-Duell der Demokraten, bevor die Partei im Juli ihren Kandidaten kürt. Und wichtigster Termin vor den Vorwahlen im Staat New York am Dienstag. An hipper, alternativer wirkender Stelle hätte eine Debatte zwischen Spitzenpolitikern kaum platziert werden können: Die Lagerhalle des Duggal Greenhouse liegt zwischen Fischgroßhändler und Trockendock, unweit der Bühne schwappt der East River unter der Manhattan Bridge vor der Skyline. Modehäuser wie Moncler und Dior und die General-Motors-Nobelmarke Cadillac haben die frühere Schiffswerft längst als Event-Standort für sich entdeckt.

Die grobe, graue Industriekulisse ist der krasse Gegenentwurf zum „Venetian“, dem opulent geschmückten Hotel am Strip von Las Vegas, in dem die Republikaner sich im Dezember um die Wette geredet hatten. Dort der rotsamten-golden schimmernde Nachbau eines venezianischen Theaters, hier Lastenkräne, Stahlträger, Brackwasser. Der Stadtteil Williamsburg liegt nicht weit, wo stilbewusste Besserverdiener sich in krampfhafter Coolness überbieten, wo Hipstertum verschrien ist und ihm doch so viele nacheifern, wo scheinbar arm irgendwie sexy ist.

Es ist ein besonderes Aufeinandertreffen des Senators aus Vermont und der Ex-Außenministerin hier in Brooklyn, wo Sanders aufgewachsen ist und von wo aus Clinton ihre Wahlkampfmaschine steuert. Zweimal wählte New York sie zur Senatorin. „Alle Augen auf Brooklyn“, titelt die „New York Times“ in ihrem Newsletter zum Lokalteil. Beide Kandidaten wollen nicht nur die Millionenmetropole, sondern den ganzen Staat auf ihre Seite ziehen. Und beide beanspruchen für sich, die linksliberalen Werte dieser Großstadt zu vertreten.

Republikaner trifft man hier kaum. Dafür umso mehr Demokraten, die ihre Meinung in den Abendhimmel posaunen: „Bernie“, schreit eine Frau auf einem Fahrrad, als sie ein paar Hillary-Schilder entdeckt. „Ihr seid in der falschen Facebook-Gruppe“, sagt eine andere in Richtung einiger Clinton-Anhänger durch ein Megafon aus ihrem Autofenster. Sie sitzt in einem hellblauen Minivan, aus dem das Wort „Bernie“ mit Leuchtdioden nach draußen scheint. Nicht weit von ihnen hängen schwarze Plakate an einer Wand, in Spanisch steht auf ihnen geschrieben: „Donald, Du bist ein Vollidiot.“ Gemeint ist: Trump.

Die Plakate hätten von Martin Misiak sein können. Er sagt: „Ich glaube wirklich, dass Trump ein Idiot ist.“ Der Chemielehrer sitzt neben seiner Freundin im „Banter“, einer Bar in Williamsburg, in der die CNN-Debatte übertragen wird. Eben haben die Leinwände noch Motocross und Poker gezeigt, jetzt geht hier nach fast jedem Statement von Sanders und Clinton ein Jubel durch die Menge. Eng gedrängt stehen die Menschen bis zum Eingang, die Angestellten hinter der Theke sind hoffnungslos überfordert. Der 40-jährige Misiak hat noch nie gewählt, jetzt will er an die Urne: Sanders hat ihn mitgerissen.

„Ich liebe es, in Brooklyn zu sein“, sagt Clinton - Applaus im „Banter“. Ein wenig fühlt es sich an wie beim Fußballspiel in einer deutschen Kneipe: Klatschen bei einem kritischen Angriff, zynische Kommentare und Rufe von der Gegenseite, wenn dieser misslingt oder gekontert wird. „Yes“, brüllen Einzelne, wenn ein Argument so richtig sitzt. Wall Street, Steuern, Klimaschutz, Marihuana: Die Menschen hier kennen die Themen, kennen die Antworten. „Ich verfolge Politik seit Jahrzehnten“, sagt Peter Fogarty, der lieber einen Joe Biden oder eine Elizabeth Warren im Endspurt der Demokraten gesehen hätte.

Die meisten der nach und nach biergetränkten Beislbesucher hat der Senator aus Vermont in der Tasche. „Mir ist es echt egal, was er sagt. Ich liebe es einfach, wenn er spricht“, schwärmt ein junger Mann an der Bar. Seiner Sitznachbarin ist die ehemalige First Lady wie so vielen Sanders-Fans nicht geheuer: „Das ist genau, warum ich ihr nicht vertraue“, sagt sie, als Clinton sich in der Debatte weigert, Redetexte ihrer Vorträge für die Bank Goldman Sachs offenzulegen. Bis zu 200.000 Dollar (knapp 178.000 Euro) Honorar bekam sie für jede diese Reden.

Zwischen einigen scheint das Group Viewing in Hass umzuschlagen. „Du bist Republikanerin, hau ab! Buh“, ruft jemand Clinton entgegen. Nicht weit von ihm sitzen zwei Clinton-Fans. „Ich habe noch nie so viel Grobheit gesehen. Alle sind einfach nur gemein“, sagt Miranda, die nur hergekommen ist, weil sie zu Hause kein Kabelfernsehen hat. Ein Sanders-Fan habe ihr sogar verboten, in „seinem“ Ecklokal schlecht über den Linksaußen-Senator zu sprechen. Ihre Freundin Susana meint, der Alkohol heize die Stimmung nur unnötig an.

„Du bist George W. Bush“, ruft der eingefleischte Sanders-Mann, als Clinton ihr abschließendes Statement gibt. Miranda ist enttäuscht von ihren Nachbarn. Ausgerechnet in Brooklyn, wo die Menschen doch als so freundlich gälten. Clinton und Sanders seien beide „für Amerika“ und für „dieselbe Partei“, sagt Miranda. „Wir sind im selben Team.“