Der Papst der Flüchtlinge: Franziskus zeigt auf Lesbos Solidarität

Vatikanstadt (APA/dpa) - Die Rufe verstummen nicht, auch als der Papst schon längst außer Sichtweite ist. „Freiheit, Freiheit“, skandieren d...

Vatikanstadt (APA/dpa) - Die Rufe verstummen nicht, auch als der Papst schon längst außer Sichtweite ist. „Freiheit, Freiheit“, skandieren die Menschen immer wieder. Ihre Bitten haben die Flüchtlinge in bunter Schrift auf Plakate geschrieben. „Hilf uns“, „Du bist unsere Hoffnung“ und „Bitte rette uns“ steht darauf.

Für die Flüchtlinge im Auffanglager Moria auf Lesbos, die hier eingesperrt in Containern hinter hohen Zäunen leben, ist der Besuch von Papst Franziskus am Samstag vor allem eines: ein Hoffnungsschimmer.

Hoffnung auf eine Zukunft in Europa, Hoffnung auf ein besseres Leben, die haben hier alle. Auch Murtasa aus Afghanistan. Vor einer Woche kam der 28-Jährige mit seiner Frau auf Lesbos an - trotz des Flüchtlingspakts zwischen der EU und der Türkei, der vorsieht, dass künftig alle Neuankömmlinge zurück in die Türkei geschickt werden können. „Ich hoffe, der Papst hilft den Menschen. Ich hoffe, er hilft uns, dass wir hier in Europa bleiben können“, sagt der junge Mann.

Als der Papst inmitten der Menschenmenge durch das Lager geht, erlebt er solche Momente immer wieder. Ein Mann bittet ihn laut weinend auf Knien, ihn zu segnen. Eine Frau fleht ihn an, er solle sie mitnehmen. Andere sagen ihm, sie steckten in Griechenland fest, während ihre Familien in Deutschland seien. Immer wieder schenken Kinder dem Pontifex Zeichnungen aus ihrem Leben. Unzählige Hände werden geschüttelt - die Frauen unter den Flüchtlingen begrüßt das Kirchenoberhaupt aus Rücksicht auf kulturelle Gepflogenheiten in der islamischen Welt lediglich mit einem freundlichen Kopfnicken.

Etwa 3.000 Menschen leben im „Hotspot“ von Lesbos. Hilfsorganisationen vergleichen das Lager mit einem Gefängnis. Vom Flüchtlingspakt haben viele hier noch nichts gehört - auch Tsala aus Syrien nicht. Die 31-Jährige will nach Schweden, wo ihre Söhne leben, berichtet sie. Ihr Mann wurde von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) getötet. „Ich gehe nicht zurück in die Türkei, eher sterbe ich“, sagt sie.

Papst Franziskus, der griechisch-orthodoxe Erzbischof Hieronymus II. und der griechisch-orthodoxe Patriarch Bartholomaios I. nutzen den gemeinsamen Besuch des Lagers nicht nur für den Kontakt mit verzweifelten Menschen wie Tsala, sondern auch für eine Nachricht an die Weltöffentlichkeit. „Wir sind hergekommen, um die Aufmerksamkeit der Welt auf diese schwere humanitäre Krise zu richten“, sagt der Papst den Bewohnern des Lagers. „Wir hoffen, dass die Welt die Bilder dieser tragischen und verzweifelten Not sieht und auf eine Weise reagiert, die unserer gemeinsamen Menschlichkeit angemessen ist.“

Papst Franziskus will den Flüchtlingen und Migranten Mut machen. Der Argentinier nimmt sich bei seinem emotionalen Besuch viel Zeit, widmet sich den Menschen, hört sich ihre Geschichten an, segnet Kinder. „Verliert nicht die Hoffnung!“ ruft er ihnen anschließend zu. „Ich will euch sagen, dass ihr nicht allein seid.“

Für zwölf syrische Flüchtlinge, die auf Lesbos gestrandet sind, wird der Wunsch nach Rettung wahr: Überraschend nimmt der Pontifex auf der Rückreise drei Flüchtlingsfamilien mit, sechs Erwachsene und sechs Kinder. Sie würden vorerst im Vatikan bleiben, teilte dessen Sprecher Federico Lombardi mit. Die Menschen seien in ihrer Heimat ausgebombt worden und stammten zum Teil aus Gebieten, die von der Terrororganisation IS besetzt seien.

Ein Tropfen auf den heißen Stein, ja - deshalb appellieren die Kirchenführer bei ihrem Besuch auch nachdrücklich an die europäischen Staaten, Solidarität zu zeigen. Deutliche Worte findet in Moria der griechisch-orthodoxe Erzbischof Hieronymus II., der die Flüchtlingskrise als „Bankrotterklärung der Menschlichkeit und Solidarität“ Europas bezeichnet. Man müsse dazu nur in die Augen der Kinder blicken, die sich hier aufhielten.

Auch der Papst fordert internationale Lösungen. „Die Sorgen, die sowohl in Griechenland als auch in ganz Europa von Menschen und Institutionen geäußert werden, sind verständlich und legitim“, sagte er mit Blick auf die oft kontroversen Diskussionen in der Flüchtlingskrise. Man dürfe dabei jedoch nicht vergessen, dass Migranten keine Nummer in der Statistik seien, sondern Menschen mit Gesichtern, Namen und ihren jeweiligen Lebensgeschichten.

So wie der 20 Jahre alte Fadee aus Syrien. „Ich habe Angst vor dem IS und Angst vor Assad“, sagt er am Tag des Papst-Besuchs in Moria. „Ich würde gerne nach Deutschland oder in jedes andere Land gehen. Ich will einfach nur in Frieden leben.“