Requiem für den Titanen: Concentus Musicus verabschiedete Harnoncourt
Wien (APA) - Ein Lebewohl mit Mozart: Der Concentus Musicus hat sich am Samstag würdevoll von seinem Übervater, dem am 5. März verstorbenen ...
Wien (APA) - Ein Lebewohl mit Mozart: Der Concentus Musicus hat sich am Samstag würdevoll von seinem Übervater, dem am 5. März verstorbenen Orchestergründer Nikolaus Harnoncourt, verabschiedet. Auf eine von Reden getragene Gedenkstunde am Vormittag folgte am Abend im Wiener Musikverein Mozarts „Requiem“ gleichsam als Sterbeamt - eine Verabschiedung in der unverkennbaren Sprache des Concentus.
Als Präludium vor das dominante Requiem hatte das Orchester unter seinem neuen künstlerischen Leiter Stefan Gottfried Mozarts 40. Sinfonie in g-Moll gestellt, die zu den zentralen Werken in Harnoncourts Lebenslauf gehört. Der Dirigent begriff die letzten drei Symphonien des Komponisten, von denen die 40. die mittlere darstellt, als zusammenhängendes Oratorium ohne Stimmen und spielte diese zuletzt 2013 im Musikverein ein.
Dabei stellt die g-Moll-Sinfonie wohl die verzweifeltste Mozarts dar, die am meisten mit den Unbilden menschlichen Seins hadert und somit thematisch den passenden Prolog des Abends darstellte. Zugleich interpretiert der Concentus auch unter Gottfried das Werk nicht in den gewohnten Fahrbahnen, sondern streckenweise beinahe neckisch, mit dominanten Streichern, die den Puls vorgeben und dem Zuschauer mit Emotion ins Gesicht fahren. Das Menuetto etwa hat hier nichts mit possierlichem Hoftanz zu tun, sondern ist ein wildes Aufbäumen. Diese 40. ist unbedingter, zwingender, herber und weniger süßlich als im musikalischen Regelbetrieb.
Die schwelgerische Seite des Abends fand sich dann überraschenderweise eher im Requiem, für das sich auch der herausragende Arnold Schoenberg Chor im Musikverein einfand. Allzu bombastisch fiel das „Dies irae“ nicht aus, und das wohlbekannte „Lacrimosa“ kommt beinahe als kleiner Walzer daher. Gottfried setzt nicht nur auf Furor und Drive, sondern weiß den Concentus an den richtigen Stellen immer auch wieder zurückzunehmen - wobei das Handwerk im positivsten Sinne stets hörbar bleibt.
In dieses Gesamtbild fügte sich auch die Solistenriege ein, die neben Julia Kleiter und Bernarda Fink vor allem aus Gerald Finley und Michael Schade bestand. Finley steht mit seinem klassisch-warmen Bass wie eine britische Clubledercouch neben einem strengen dänische Designermöbel, das Schades klarer Tenor versinnbildlicht. In Kombination stellen beide Stimmen mithin einen reizvollen Kontrast dar, der sich in die Herangehensweise des Concentus nahtlos einfügt.
Am Ende eines bewegenden Abends konnten sich die Besucher in ein Kondolenzbuch eintragen, nachdem selbst Bundespräsident Heinz Fischer im Programmheft Harnoncourt seinen Respekt gezollt hatte. Die für den Verstorbenen wohl treffendste Metapher stand aber bereits während des Konzerts auf dem Prospekt des Generalbassinstruments geschrieben: „Sine Musica Nulla Vita“ - ohne Musik kein Leben.
(S E R V I C E - Wiederholung des Programms am heutigen Sonntag, 17. April, um 19.30 Uhr. Übertragung des Abends am 5. Mai um 11.03 Uhr auf Ö1.)
(A V I S O - Die APA hat am 14. April unter APA051 ein Interview mit Stefan Gottfried unter dem Titel „Neuer Concentus-Chef Stefan Gottfried: ‚Aufzugeben war keine Option‘“ versendet.)