Böhmermann macht Fernsehpause - ZDF sagt ihm Rechtshilfe zu
Berlin (APA/Reuters) - Der deutsche Satiriker Jan Böhmermann legt nach der Affäre um ein Schmähgedicht gegen den türkischen Präsidenten Rece...
Berlin (APA/Reuters) - Der deutsche Satiriker Jan Böhmermann legt nach der Affäre um ein Schmähgedicht gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan eine vierwöchige Fernsehpause ein. Bis zum 12. Mai sollten keine neue Ausgaben seines „Neo Magazin Royale“ produziert werden, bestätigte sein Sender ZDF am Wochenende.
Dessen Intendant Thomas Bellut sagte dem Moderator vollen Rechtsschutz zu. „Wir gehen mit ihm durch alle Instanzen“, sagte er dem „Spiegel“. Zwei Drittel der Deutschen halten einer Umfrage zufolge die Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Fall Böhmermann für falsch. Merkel hatte gegen das Votum der beteiligten SPD-Minister die Vollmacht zur Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes erteilt. SPD und Opposition riefen die Kanzlerin auf, bei ihrer Türkei-Reise Ende der Woche deutlich für Meinungsfreiheit einzutreten.
Er habe sich für eine kleine Fernsehpause entscheiden, damit sich die „Öffentlichkeit und das Internet mal wieder auf die wirklich wichtigen Dinge wie die Flüchtlingskrise, Katzenvideos oder das Liebesleben von Sophia Thomalla konzentrieren kann“, schrieb der Satiriker auf seiner Facebook-Seite. Zugleich bedankte er sich für die Solidarität „von der überwältigende Mehrheit derjenigen, die nicht Präsident Erdogan sind“.
Wegen seines Schmähgedichts hatte die Türkei die Aufnahme von Ermittlungen wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes nach Paragraf 103 Strafgesetzbuch verlangt. Dafür gab die Bundesregierung am Freitag grünes Licht. Der Anwalt Böhmermanns kritisierte die Entscheidung als rechtlich und rechtspolitisch höchst bedenklich. „Diese Verfolgungsermächtigung war völlig überflüssig und ohne Not“, erklärte der Rechtsanwalt Christian Schertz. Er verwies darauf, dass Erdogan bereits als Privatperson einen Strafantrag gestellt hat und die Staatsanwaltschaft daher die Frage der Beleidigung ohnehin prüfen müsse. Erdogans deutscher Anwalt hatte angekündigt, notfalls durch alle Instanzen zu gehen, um eine Bestrafung Böhmermanns zu erreichen.
In einer Emnid-Umfrage nannten 66 Prozent die Entscheidung Merkels zugunsten des türkischen Ermittlungsersuchens falsch. Nur 22 Prozent halten den Beschluss in der für „Bild am Sonntag“ erhobenen Befragung für richtig, zwölf Prozent sind unentschieden. Die Ablehnung von Merkels Entscheidung ist demnach in der Union mit 62 Prozent fast genauso hoch wie in der SPD mit 63 Prozent.
Merkel hatte in ihrer Erklärung auch angekündigt, die Bundesregierung werde auch in Zukunft in Gesprächen die „Postulate von Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Pluralismus“ anmahnen. Die Lage der Medien in der Türkei und das Schicksal einzelner Journalisten erfülle die deutsche Regierung mit großer Sorge.
Der Koalitionspartner SPD und die Opposition forderten Merkel auf, bei ihrer Türkei-Reise dies anzusprechen. Sie würde sich wünschen dass die Kanzlerin klare Worte zur Presse- und Meinungsfreiheit finde, sagte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley der „Welt am Sonntag“. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte derselben Zeitung, die Reise Merkels dürfe „keine peinliche Entschuldigungsfahrt werden“. Daher sollte die Kanzlerin ein klares Zeichen für Pressefreiheit setzen und kritische Journalisten und die Opposition treffen. Ähnlich äußerte sich auch Linken-Chefin Katja Kipping. Merkel reist drei Wochen nach dem Start des umstrittenen EU-Türkei-Abkommens am Samstag mit EU-Spitzenvertretern in die Türkei.