Kunstgenuss in Schlapfen: Schutz für historische Böden in Museen

Potsdam (APA/dpa) - Mit schlurfendem Schritt geht es in Schlapfen übers wertvolle historische Parkett. In vielen deutschen Museen und Schlös...

Potsdam (APA/dpa) - Mit schlurfendem Schritt geht es in Schlapfen übers wertvolle historische Parkett. In vielen deutschen Museen und Schlössern herrscht Hausschuhpflicht. Erst müssen Filzpatschen über die Straßenschuhe gestreift werden, dann wird Zugang gewährt. Aber muss das sein?

Patschen-Befürworter finden, dass damit Schmutz aus den wertvollen Kunsträumen ferngehalten wird. Kritiker befürchten durch versteckte Steinchen in den Filzsohlen Schäden. „Auf Marmor wirkt das dann wie Schmirgelpapier“, sagt Kerstin Schilling, Leiterin Schlossmanagement der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg.

Gerade endete im Marmorsaal des Neuen Palais in Potsdam-Sanssouci die „Pantoffel-Ära“. Mit Eröffnung des sanierten Saales entstanden gläserne Laufstege, über die Besucher gehen können. Die kunstvollen Böden sind weiter gut sichtbar. In Brandenburg dagegen stehen in den Neuen Kammern, im Schloss Charlottenhof oder dem Orangerieschloss noch etwa 1000 Schlapfen-Paare bereit.

Auch in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar gilt die Ansage: nur mit Patschen. „Nach der Sanierung wegen des Brandes 2004 haben wir das entschieden“, sagt ein Sprecher der Klassik Stiftung Weimar. Zudem dürfen nur noch 290 Besuchern pro Tag hinein, um die wertvollen Bücher, Gemälde und Skulpturen im einmaligen Rokokosaal zu schützen.

Auch das Thüringer Residenzschloss Heidecksburg wird auf leisen Sohlen erkundet. „Besser können unsere originalen Fußböden von 1740 gar nicht gepflegt werden“, sagt Jeanette Lauterbach, wissenschaftliche Mitarbeiterin. Auf Tradition setzt auch Schloss Benrath (Nordrhein-Westfalen). „Die Holzböden brauchen diesen Schutz“, sagt eine Sprecherin. Teppiche würden den ästhetischen Eindruck verfälschen.

In Bayern herrscht in den 45 Schlössern, Burgen und Residenzen der Schlösserverwaltung nur noch beim Spindler-Kabinett in Schloss Fantasie bei Bayreuth Patschen-Pflicht. „Oftmals schädigen sie mehr als dass sie sie schützen“, sagt Sprecherin Ines Holzmüller.

Was passiert eigentlich mit den riesigen Filzschlapfen nach Gebrauch? Regelmäßig werden sie per Hand gesaugt oder ausgeklopft. Im Potsdamer Schloss Sanssouci steht in einer versteckten Ecke eine „Ausklopf-Maschine“ - die allerdings seit Jahren nicht mehr funktioniert. In der Metalltrommel wurden schmutzige Schuhe herumgewirbelt. „Der Mitarbeiter stand in einer dunklen Staubwolke“, weiß die Brandenburger Schlossmanagerin Schilling aus Berichten.

Bei Trauungen in der Blauen Galerie in den Neuen Kammern erspart Schilling weiblichen Gästen die riesigen Latschen. In einem kleinen Seidenbeutel erhalten sie High-Heels-Schutz. Die Plastikteile können über die Absätze gezogen werden. „Festliche Robe und Pantoffeln gehen gar nicht“, meint sie.

In der Filzmanufaktur von Yves Hößelbarth im hessischen Dipperz ist die geringere Nachfrage von Museen zu spüren. „Vielleicht liegt es auch daran, dass die Latschen etwa 10 bis 20 Jahre halten“, meint er. Etwa 5.000 Paar fertigt sein Unternehmen pro Jahr in Handarbeit.

Seine grauen Schlossschlapfen landen heute oft bei Privatleuten. Auch Schornsteinfeger haben die Patschen entdeckt. Hößelbarth: „Sie ziehen sie über, damit sie keinen Schmutz in die Wohnung der Kunden bringen.“