Innovationen - Teil der menschlichen Natur 1
Wien (APA) - Religiöse Vorstellungen haben die dem Menschen eigene Neugier und Schaffensfreude Hunderte, wenn nicht Tausende Jahr lang behin...
Wien (APA) - Religiöse Vorstellungen haben die dem Menschen eigene Neugier und Schaffensfreude Hunderte, wenn nicht Tausende Jahr lang behindert. Aber wenn zum Beispiel in der modernen Onkologie bahnbrechende Innovationen aus Preisgründen nicht mehr bei den Patienten ankommen, sind sie sinnlos, hieß es Montagabend bei einer Diskussionsveranstaltung in der Nationalbibliothek in Wien.
Der US-Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb (BMS) hatte geladen, neben dem Philosophen Peter Sloterdijk und dem Wiener Onkologen Christoph Zielinski als Keynote-Sprecher nahmen an der Diskussion Ulrike Rabmer-Koller, Chefin des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, Wiens KAV-Chef Udo Janßen, Pharmig-Generalsekretär Jan Oliver Huber, Sylvia Hofinger (Fachverband der Chemischjen Industrie) und der Medizinethiker Ulrich Körtner teil. US-Botschafterin Alexa Wesner sagte einleitend: „Die USA sind eine Wirtschaft, die sehr stark auf Innovation und Unternehmergeist beruht. Die Amerikaner bekommen diesen Unternehmergeist von Kindesbeinen an eingeflößt.“
Wahrscheinlich bietet die Geschichte der USA mit dem Ankommen jener Millionen Einwanderer, welche die geistige, religiöse und politische Enge Europas verließen, dazu einen großen Teil der Erklärung für die Innovationsfreude „jenseits des Großen Teichs“. Peter Sloterdijk jedenfalls verwies auf die 2.000 Jahre europäischer Geschichte, in der die Neophobie vorherrschte. Innovation sei als „Aufstand“, die Neugier des Menschen als sündhaft gebrandmarkt und verboten gewesen.
Der christliche Autor Tertullian (150 bis 220 n. Christus) habe beispielsweise in seiner Schrift „De cultu feminarum“ („Von Putz der Frauen“) deren Schmuck als teuflische zusätzliche Erfindung über die Erschaffung der Welt durch Gott hinaus bezeichnet. „Das lässt sich erst verstehen mit einer Metaphysik einer fertigen Welt.“ Erst die Renaissance habe diese Ketten gesprengt. Der erste dabei sei der deutsche Philosoph, Theologe und Mathematiker Nikolaus von Kues gewesen, der um 1460 in seinem Dialog „Idiota de mente“ („Der Laie über den Geist“) eine neue Erkenntnistheorie des Menschen entwickelt hätte. Das sei die „Entdeckung der menschlichen Mitkreativität“ gewesen.
Wie sehr Innovations- und Forschergeist immer wieder bedroht sein können, betonte der Christoph Zielinski, Koordinator des Comprehensive Cancer Center von MedUni Wien und AKH. Das lehre auch die österreichische Zeitgeschichte. Österreich sei gerade in der Medizin vor Jahrzehnten ein Zentrum der Innovation gewesen. Aber, wie Zielinski erklärte: „Die alten Griechen, wenn die einen Feldzug geführt haben, haben sie sich am Feind gerächt, indem sie seine Olivenhaine abgeholzt haben. Eben diese Olivenhaine sind in Österreich 1938 abgeholzt worden. Die Ideen einer geschlossenen Gesellschaft haben sich bis in die 1970er-Jahre gehalten.“ Österreich müsse sich vor einem Zustand hüten, wie er in den 1950er-Jahren geherrscht hätte, „als die Bäume abgeholzt waren.“
Dabei haben die Menschen gerade in der Medizin in den vergangenen Jahren massiv vom Forschergeist der akademischen Wissenschafter und den Bemühungen der pharmazeutischen Industrie profitiert. Zielinski sagte: „Innerhalb von 20 Jahren ist der Anteil der Krebspatienten, die fünf Jahre überleben, von 44 auf 61 Prozent gestiegen.“ Zielgerichtete Krebstherapie, Angiogenese-Hemmer und die neue Immunonkologie hätten das Potenzial, bösartige Erkrankungen zu chronischen Leiden zu machen. „Es macht einen Unterschied, ob Sie einer Frau mit Brustkrebs und einer 14-jährigen Tochter sagen können, dass sie statt ehemals sechs bis neun Monate noch fünf oder mehr Jahre vor sich hat.“
Die Kosten dafür seien keinesfalls inadäquat, Restriktionen schädlich. „Aufhalten kann uns nur die Gesundheitsausgaben. Aber die Krebserkrankungen machen sieben Prozent aller Gesundheitsausgaben aus.“ Herz-Kreislauf-Erkrankungen würden mit 15 Prozent zu Buche schlagen.