Peter Noever: „Kunst ist nicht demokratisierbar“
Wien (APA) - Kulturpolitische Entwicklungen kann Peter Noever nun, da er als freier Kurator Projekte auf der ganzen Welt realisiert, nüchter...
Wien (APA) - Kulturpolitische Entwicklungen kann Peter Noever nun, da er als freier Kurator Projekte auf der ganzen Welt realisiert, nüchtern von außen betrachten. Auch mit dem unrühmlichen Ende seiner 25-jährigen Amtszeit als Direktor des MAK hat er mittlerweile abgeschlossen. Mit der APA sprach der bald 75-Jährige über die heimische Museumspolitik, architektonisches Mittelmaß und die Bundespräsidentenwahl.
Während im diese Woche vorgestellten Bundesfinanzrahmen ein jährliches Plus von drei Mio. Euro für zeitgenössische Kunst vorgesehen ist, wurde die Basisabgeltung für die Bundesmuseen nicht erhöht. „Das Desaster ist das Verständnis von dem, was Kunst ist. Man ist mittlerweile völlig von radikalen Positionen abgekommen“, bedauert Noever. Dabei gehe es ihm, der nie müde wurde, Utopien zu formulieren, gar nicht darum, alles Gedachte umzusetzen. Er würde sich aber wenigstens die Definition von radikalen Positionen wünschen.
Mittlerweile gehe es nur mehr um Besucherzahlen und Budgets, „die Inhalte sind verkümmert“, so der ehemalige MAK-Direktor, der das große Potenzial, das im Land vorhanden wäre, nicht genützt sieht. Vielmehr ortet er ein „fatales Bekenntnis zur Mittelmäßigkeit“. Die Politik schmücke sich zwar nach wie vor gern mit Kunst, nehme allerdings die zeitgenössische Kunst nicht ernst. Nötig wären Plattformen „mit einem Höchstmaß an Spontaneität. Man müsste sich von Vielem verabschieden und völlig neu denken, stattdessen wird ständig repariert und herumgebastelt.“
Auch architektonische Großprojekte wie das Wien Museum oder den Wiener Hauptbahnhof schließt Noever in seine Kritik ein. „Das sind Dinge, wo man sich im Mittelpunkt der Welt sieht, aber in Wahrheit weit davon entfernt ist. Bei beiden handelt es sich um ein katastrophales Missverständnis zu dem, was zeitgenössische Architektur imstande wäre zu leisten. Kritisieren geht hierzulande sowieso nicht, aber stattdessen, so hat es den Eindruck, findet man noch alles besonders, was man macht. Das ist in höchstem Maße provinziell.“ Hier würde er sich mehr Angriffslust wünschen, man müsse sich trauen, Neuland zu betreten.
Auch das Ergebnis des ersten Durchgangs der Bundespräsidentenwahl bringt Noever mit der „allgemeinen Verkrustung“ in Zusammenhang. „Das ist alles eine Inszenierung der Mittelmäßigkeit, wo sich nichts bewegt“, so sein Fazit. Dieser Zustand sei nicht haltbar für die Zukunft. „Keiner der Kandidaten hat auch nur einmal Kultur - von Kunst gar nicht zu reden - erwähnt. Stattdessen schmückt man sich mit der Vergangenheit. Es ist eine Bewegung an der Oberfläche.“
Auf das nicht ganz friktionsfreie Ende seiner Amtszeit blickt er mittlerweile mit entsprechender Distanz zurück. „Das war damals eine Explosion. Im Nachhinein ist mir klar, dass man das eine oder andere anders hätte machen können.“ Einen pompösen Abschied nach 25 Jahren an der Spitze des MAK hätte er sich aber nicht vorstellen können. „Eine Abschiedsparty im Parlament hätte ich mir auch nicht gewünscht“, schmunzelt Noever.
Während er die Arbeit seines Nachfolgers nicht kommentiert, äußert er sich sehr wohl kritisch über die systematische Installierung von kaufmännischen Leitern in den Bundesmuseen. „Ich halte diese Doppelbesetzungen für lebensgefährlich für den eigentlichen Auftrag. Es können nicht zwei Leute eine Institution leiten. Das dürfte aus dem Motiv purer Angst heraus entstanden sein“, so Noever. „Die schärfste Kontrolle ist okay, aber man muss agieren können. Offensichtlich will halt niemand Verantwortung übernehmen. Kunst ist nicht demokratisierbar.“
(Das Gespräch führte Sonja Harter/APA)
(B I L D A V I S O – Zahlreiche Bilder von Peter Noever sind im AOM abrufbar.)