US-Spezialeinheit Navy Seals: Heldenkult mit Risiken

Washington (APA/AFP) - Schon immer wurden sie in ihrem Heimatland von vielen als Helden verehrt - spätestens seit der tödlichen Kommandoakti...

Washington (APA/AFP) - Schon immer wurden sie in ihrem Heimatland von vielen als Helden verehrt - spätestens seit der tödlichen Kommandoaktion gegen Osama Bin Laden vor fünf Jahren aber ist die US-Spezialeinheit Navy Seals zu einem amerikanischen Mythos geworden. Eine Serie von Büchern und Filmen folgte auf die Operation im pakistanischen Abbottabad vom 2. Mai 2011.

In das Dunkel, in dem die Seals bis dahin operiert hatten, fiel Licht. Zwar kam längst nicht alles heraus - jedoch so viel, dass Militärs die Schlagfähigkeit der Elitetruppe gefährdet sehen.

Eiserne Disziplin und Selbstverleugnung, Furchtlosigkeit im Angesicht extremer Gefahr, klinische Präzision im Einsatz der hochmodernen Waffentechnik - das sind die Eigenschaften, aus denen sich das Heldenbild der Navy Seals von jeher zusammensetzt und die schon vor Abbottabad in Bestsellern, Videospielen und sogar Kinderbüchern zelebriert wurden.

Nach der Erschießung des Al-Kaida-Chefs trug die Regierung von US-Präsident Barack Obama dann ihren Teil dazu bei, den Heldenkult um die Elitetruppe auf die Spitze zu treiben. Viele Informationen über die Operation „Speer des Neptun“ gegen den meistgesuchten Terroristen der Welt gab sie selbst heraus.

Die Regierungs-PR für die Seals brachte Ex-Verteidigungsminister Robert Gates allerdings schon damals auf die Palme. „Warum kann alle Welt nicht einfach mal die Klappe halten?“, schleuderte er Obamas Sicherheitsberater Tom Donilon entgegen, wie der frühere Pentagonchef selber in seiner Autobiografie erzählte.

Verhindern konnte er aber nicht, dass die Regierung sogar Hollywood mit geheimen Details über die Jagd nach Bin Laden fütterte - für den Action-Thriller „Zero Dark Thirty“, der eineinhalb Jahre nach dem Tod Bin Ladens in die Kinos kam.

Im Rummel um die Seals geriet der Regierung allerdings bald die Kontrolle über die Informationsflut aus der Hand. Mitglieder des Sondereinsatzkommandos Team 6 der Seals, das Bin Ladens Versteck gestürmt hatte, kamen mit detailreichen Schilderungen aus der Deckung.

Den Anfang machte Matthew Bissonnette, der ein Buch über den Einsatz herausbrachte. Dann folgte Robert O‘Neill - er beschrieb sich selbst als den Mann, der Osama bin Laden per Kopfschuss tötete, und wurde so weltberühmt. Seit seinem Ausscheiden aus dem Militär tingelt er als gut bezahlter Motivationsredner durchs Land.

Mit ihren Enthüllungen brachen die Elitekämpfer in eklatanter Weise den Ehrenkodex der Seals. „Ich gehe mit meiner Arbeit nicht hausieren, noch suche ich Anerkennung für meine Taten“, heißt es darin. Manche Militärs sehen deshalb den Ethos der Spezialeinheit potenziell untergraben - ganz abgesehen davon, dass die Verbreitung wichtiger Details über ihre Kampfmethoden, Taktiken und Ausrüstung dem Feind nutzen könne.

Werde die Fähigkeit der Seals eingeschränkt, „den Feind zu überraschen“, steigere dies die Chancen ihres Scheiterns „und setzt Leben aufs Spiel“, konstatierte Leutnant Forrest Crowell, selbst Mitglied der Seals, kürzlich in einer wissenschaftlichen Arbeit.

Der frühere Oberkommandierende der US-Spezialeinheiten, General Joe Votel, forderte im Dezember von der Regierung die Rückkehr zur Diskretion. Es sei „an der Zeit, diese Truppen wieder ins Dunkel zu hüllen“, schrieb er in einem von der Zeitschrift „Foreign Policy“ veröffentlichten Memo.

Schweigen ist im Pentagon inzwischen durchaus wieder angesagt, wenn es um die Operationen der Spezialkräfte geht. So weigert sich das US-Verteidigungsministerium, jegliches Detail über die 200-köpfige US-Sondereinheit im Irak herauszugeben. Sie ist damit beauftragt, Führungsmitglieder der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) zu ergreifen oder zu töten.