Lohnplus von fast fünf Prozent im öffentlichen Dienst Deutschlands
Berlin (APA/Reuters) - Arbeitgeber und Gewerkschaften in Deutschland haben sich auf ein deutliches Lohnplus für die Beschäftigten im öffentl...
Berlin (APA/Reuters) - Arbeitgeber und Gewerkschaften in Deutschland haben sich auf ein deutliches Lohnplus für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen verständigt und damit eine Streikwelle abgewendet. Insgesamt sollen die Gehälter in zwei Schritten um 4,75 Prozent steigen.
In diesem Jahr erhalten die 2,1 Millionen Beschäftigten rückwirkend zum 1. März 2,4 Prozent mehr Geld und zum 1. Februar 2017 nochmal 2,35 Prozent. Nach jahrelangen Versuchen verständigten sich beide Seiten am Freitagabend zudem auf eine neue Entgeltordnung, wodurch ein großer Teil der Berufe finanziell aufgewertet wird. Bei der betrieblichen Altersvorsorge drohen vielen Beschäftigten jedoch höhere Beiträge.
Verdi-Chef Frank Bsirske sagte, es bestehe Anlass zur Zufriedenheit, auch wenn nicht alle Forderungen der Arbeitnehmer durchgesetzt worden sei. „Das Ergebnis ist ein Kompromiss, der die Reallöhne deutlich erhöht, die Kaufkraft stärkt und dazu beiträgt, den öffentlichen Dienst in Deutschland attraktiver zu machen.“ Vor der dritten Verhandlungsrunde, die am Donnerstag begann, hatte Bsirske mit einer Eskalation des Tarifstreits gedroht.
Innenminister Thomas de Maiziere sprach als Verhandlungsführer des Bundes von einem „mehr als fairen und für beide Seiten annehmbaren Ergebnis“. Den Bund koste die Anhebung rund 700 Millionen Euro. Mit Finanzminister Wolfgang Schäuble habe er vereinbart, dass der Tarifabschluss zudem zeit- und inhaltsgleich auf die 180.000 Beamten des Bundes sowie die Versorgungsempfänger und Soldaten übertragen werden solle. Mit dem Ergebnis würden die Leistungen der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst gewürdigt und gleichzeitig die Belastungen für den Haushalt und die Steuerzahler im Rahmen gehalten.
Der Verhandlungsführer der kommunalen Arbeitgeber, Thomas Böhle, bezifferte die Kosten für die Städte und Gemeinden auf rund sechs Milliarden Euro für die Gehaltssteigerung und 680 Millionen Euro durch die neue Entgeltordnung. Für viele Kommunen und kommunale Betriebe sei der Abschluss schmerzhaft. Im Ganzen sei er aber vertretbar, sagte Böhle.
Verdi und der Beamtenbund dbb hatten ursprünglich sechs Prozent mehr Geld bei einer Laufzeit von zwölf Monaten gefordert. Vor allem in der Bundestarifkommission von Verdi gab es heftige Diskussionen zu dem in der Spitzenrunde ausgearbeiteten Kompromiss. Die Zustimmung zu der Vereinbarung fiel nach Angaben von Teilnehmern entsprechend knapp aus. Die Gewerkschaft lässt nun ihre Mitglieder über das Paket abstimmen. Dazu gibt es eine Frist bis zum 31. Mai.
Möglich wurde der Kompromiss laut Bsirske durch die Warnstreiks, an denen sich 100.000 Beschäftigte in dieser Woche beteiligt hätten. Dabei hatte Verdi weite Teile des Flugverkehrs in Deutschland lahmgelegt. Bestreikt wurden auch Kitas, der öffentliche Nahverkehr, Verwaltungen und Müllabfuhren. Der Unmut hatte sich vor allem gegen das erste Arbeitgeberangebot gerichtet. Dieses sah Steigerungen von drei Prozent verteilt auf zwei Jahre vor.
Mit der Reform der Entgeltordnung soll nun ab dem Jahr 2017 geregelt werden, mit welcher von mehr als 1000 Tätigkeiten ein Beschäftigter in welche Entgeltgruppe eingeordnet wird. Die Eingruppierung soll aber niemanden schlechter stellen. Ein großer Teil der Berufe profitiert dadurch unmittelbar von einer höheren Vergütung. Um die Mehrkosten zu kompensieren, soll allerdings das 13. Gehalt - die sogenannte Jahressonderzahlung - um vier Prozentpunkte gesenkt und für drei Jahre eingefroren werden.
Bei der betrieblichen Altersvorsorge sind die Gewerkschaften bereit, höhere Beiträge zu akzeptieren, wenn bei der jeweiligen kommunalen Versorgungskasse nachweisbar ein finanzieller Handlungsbedarf besteht. Laut Böhle ist dies bei knapp der Hälfte aller Kassen der Fall. Verteilt auf drei Jahre sind in den Fällen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber Zusatzbeiträge in Höhe von 0,4 Prozent vorgesehen. Laut Bsirske werden davon etwa 35 Prozent der Beschäftigten betroffen sein. Die Gewerkschaften nehmen aber für sich in Anspruch, dass sie bei den Verhandlungen die von den Arbeitgebern ursprünglich geforderten Leitungskürzungen bei der Privatrente verhindert haben.
Der Tarifabschluss sieht zudem eine Erhöhung der Vergütung für Auszubildende um 35 Euro in diesem Jahr und ab 1. Februar 2017 um weitere 30 Euro sowie eine verbesserte Übernahme nach der Lehre vor.