Liebe als Lust und Last: „Die Wiedervereinigung der beiden Koreas“

Wien (APA) - Tja, die Liebe. Die meisten von uns sehnen sich ewig nach ihr. Und dann kommen plötzlich Menschen daher, die behaupten, sie exi...

Wien (APA) - Tja, die Liebe. Die meisten von uns sehnen sich ewig nach ihr. Und dann kommen plötzlich Menschen daher, die behaupten, sie existiere gar nicht, und wenn doch, sei sie eine Art Krankheit. Andere verlassen ihre Partner und erklären: „Liebe reicht nicht.“ Man muss zugeben: Joel Pommerat gewinnt in seiner Szenenfolge „Die Wiedervereinigung der beiden Koreas“ dem uralten Thema neue Facetten ab.

Der 1963 nahe Lyon geborene Autor und Regisseur Joel Pommerat, der vor wenigen Tagen in Craiova mit einem Europäischen Theaterpreis für „Neue Realitäten am Theater“ ausgezeichnet wurde, hat mit seinem 2013 im Pariser Odeon herausgebrachten Stück, dessen Uraufführungsproduktion im Vorjahr bei den Wiener Festwochen gastierte (die Deutschsprachige Erstaufführung gab es im Jänner 2014 am Landestheater Linz), einen echten Bühnenhit gelandet. Da braucht man, wie Peter Wittenbergs Inszenierung im Akademietheater gestern, Freitag, Abend zeigte, gar keine großartigen Einfälle. „24 Männer und 28 Frauen, die einander hier begegnen, lieben einander oder haben einander geliebt oder lieben nun jemanden anderen oder haben überhaupt aufgehört zu lieben“, lautet die Burgtheater-Kurzzusammenfassung. Wenn man für dieses Personal das Ensemble des Burgtheaters zur Verfügung hat, wird der Abend trotz mancher Durchhänger zum Fest.

Die 18 auf Bergman und Schnitzler, Ibsen und Albee zurückgreifenden und weiterführenden Szenen spielen in unzähligen Variationen Spielarten von Liebesglück und Liebesleid durch. Lust und Last, Tragik und Komik liegt hier eng beisammen. Bühnenbildner Florian Parbs setzt vor der kahlen Feuermauer eine Doppelung der rückwärtigen Heizungs-Paneele für gelegentliche Raumstrukturierungen ein und lässt als Zwischenblende grelle Leuchtbalken längs und quer über die Bühne ziehen. Wittenberg gönnt seinen neun Darstellers gelegentlich einen sängerischen Zwischenauftritt im Glitzer-Outlook abgeklärter Diseusen, ansonsten lässt er ihnen weitgehend freien Lauf. Für Tempo, Rhythmus und Kompaktheit des zweieinviertelstündigen Abends ist dies nicht sehr hilfreich. Doch einige Glanzstücke überstrahlen alles.

So ist etwa mit großer Freude das Burg-Comeback von Markus Hering zu melden. So steht er als Bräutigam in einer grandios komischen Szene am Ende zwischen gleich fünf Schwestern oder quält sich gemeinsam mit Dörte Lyssewski als Gattin in einem Rollenspiel, bei dem eine Babysitterin (Frida-Lovisa Hamann) ihre nicht vorhandenen Kinder hüten muss. Martin Reinke geht zu Herzen, wenn er seiner an Alzheimer leidenden Frau (Dorothee Hartinger stellt einmal mehr ihre Vielseitigkeit beeindruckend unter Beweis) jeden Tag neu seine Liebe gesteht und dabei die Intensität der einstigen Gefühle in das titelgebende Wortbild fasst. Mit Petra Morzé als Prostituierte bekommt er es als Priester zu tun, der sich bei der Natur ihrer langjährigen Beziehung ordentlich getäuscht hat.

Daniel Jesch gerät in erhebliche Not, soll er als Lehrer seine Beziehung zu einem Schüler beschreiben, ohne sich dabei um Kopf und Kragen zu reden, und wird von Sabine Haupt kurzerhand verlassen, der als Partnerin Liebe allein nicht genug ist. Dirk Nocker kommt als Jugendliebe gar aus dem Jenseits zurück, um seine Fast-Liebe von damals an ihr einstiges Versprechen zu erinnern.

Langer Schlussapplaus für einen abwechslungsreichen Abend. Ist die Liebe nun Einbildung, ein seltsames Spiel oder eine ganz einfache neuro-chemische Reaktion? Das freilich bleibt weiterhin offen. Gut für das Theater, das sich wohl auch die nächsten 1000 Jahre mit diesem Thema befassen wird.

(S E R V I C E - „Die Wiedervereinigung der beiden Koreas“ von Joel Pommerat, Regie: Peter Wittenberg, Bühne: Florian Parbs, Kostüme: Alexandra Pitz, mit Frida-Lovisa Hamann, Dorothee Hartinger, Sabine Haupt, Dörte Lyssewski, Petra Morzé, Markus Hering, Daniel Jesch, Dirk Nocker und Martin Reinke. Nächste Vorstellungen im Akademietheater: 2., 5., 6., 21., 29.5., Karten: 01 / 513 1 513, www.burgtheater.at)