Sternstunden im Bauch des Riesen
Grandiose Musiker eröffneten als Quartett und Duett das Kammermusikfestival „Musik im Riesen“ in den Kristallwelten.
Von Ursula Strohal
Wattens –Mit zwei denkwürdigen Abenden eröffnete der Riese, generös und jeden Mai süchtig nach Kammermusik, sein Festival tief unter der Swarovski-Glitzerwelt. Dort ist Platz für die intimen Bekenntnisse der Gattung, für ihr Experimentieren und ihre Vollkommenheit, für außergewöhnliche Nähe zwischen Musikern und Zuhörern. Als am ersten Abend alle drei Klavierquartette von Johannes Brahms auf dem Programm standen, als Entwicklungsprojekt kenntlich und wahrlich fordernd, schien das Publikum atemlos überwältigt – bis es Zeit war, lauthals auf diese Sternstunde zu antworten.
Auf das Podium hatte Thomas Lacher vier Künstler allerersten Ranges geladen: Leif Ove Andsnes am Klavier, Christian Tetzlaff, Violine, Tabea Zimmermann, Viola, und Clemens Hagen, Violoncello. Grandiose Musiker, die sich aus verschiedenen Positionen zur großen Leidenschaft Kammermusik treffen. Da entstand über faszinierend intensiv gearbeitete Strukturen und Details eine Unmittelbarkeit, eine Stimme, eine Freiheit, die solchem Musizieren und Brahms eine neue Qualität gab.
Johannes Brahms, hier noch jung, noch fern dem Akademischen, wenngleich schon Könner hohen Grades, wurde an diesem Abend zutiefst menschlich, in den drei ersten Sätzen des ersten Quartetts und im dritten Werk ist alles groß, herrlich, singend, warm, von inniger Empfindung, auch ruppig, sturmbewegt, erregt, verrätselt und gebrochen. Nummer zwei driftet gelegentlich ab in holdes Schwärmen, aber das Quartett, das hier am Werk war, wusste damit umzugehen. Hochvirtuos und hochsensibel, individuell sich verschmelzend, spontan reagierend. Jeder ungemein präsent als Teil eines singulär sich entwickelnden Ganzen. So also kann man Brahms deuten, empfinden – spielen.
Donnerstagabend in der Blauen Halle zwei außergewöhnlich begabte junge Musiker, hochmusikalische Virtuosen, die mit bereits großer Reife, mit Innigkeit und sprühender Musizierlust am Werk sind: Kian Soltani, 1992 geboren, und der drei Jahre jüngere Pianist Aaron Pilsan, beide aus Vorarlberg stammend. Die Violoncellosonaten von Alfred Schnittke (1978) und Dmitri Schostakowitsch bewiesen in jeder Phase, dass da Ausnahmetalente am Werk waren. Robert Schumanns Adagio und Allegro op. 70 atmeten romantischen Duft und drei ins Cello gezauberte Lieder Schubert-Selbstvergessenheit. Als Encore u. a. Thomas Demengas witzige Tonspur von New Yorker Straßenlärm.