Von Kühen verletzt: Zwischen Attacke und Unfall
Aufregung nach zwei Angriffen durch Kühe am Wochenende. Kuhflüsterer Philipp Wenz erkennt eine zunehmende Entfremdung zwischen Menschen und den Rindern.
Innsbruck –Zweimal attackierten am Wochenende in Kitzbühel und Kirchdorf Kühe Bauern. Zweimal auf Almen – die TT berichtete. Eines der Tiere musste von der Polizei getötet werden. Das lässt Erinnerungen an den Sommer 2014 wach werden. Damals sorgten Angriffe von Kühen auf Wanderer im Bereich von Almen und Wegen international für Schlagzeilen. Besonders, als eine 45-jährige Urlauberin aus Deutschland nach dem Angriff einer Herde im Pinnistal ums Leben kam.
Von erneuten Kuhattacken will Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Hechenberger im Zusammenhang mit den Vorkommnissen in Kitzbühel und Kirchdorf nicht sprechen. In beiden Fällen seien keine unbeteiligten Wanderer angegriffen worden, sondern Landwirte, die mit den Tieren arbeiten. Es handle sich um Unfälle, wie sie in der täglichen Arbeit mit den Tieren immer passieren können und auch vorkommen, erklärt Hechenberger und verweist auf eine Statistik der Sozialversicherung der Bauern, wonach in der Landwirtschaft Unfälle mit Tieren einen der vordersten Plätze einnehmen. „Man darf nicht vergessen, dass eine Kuh ein Lebewesen ist und auf äußere Umstände reagieren kann“, sagt Hechenberger. Die Tiere würden sich charakterlich unterscheiden, können aber auch durch äußere Einflüsse wie Witterung, Fliegen oder Ortswechsel nervöser werden und zu Reaktionen neigen, die man normalerweise nicht erwarten würde.
Auf die tragischen Unfälle vor zwei Jahren hat die LK Tirol reagiert und Flugzettel mit Verhaltensregeln für Wanderer im Almgebiet aufgelegt. Gemeinsam mit Seilbahnwirtschaft und Alpenverein wurden Hinweisschilder entworfen, die im Bereich von Almen, Wanderwegen und Mountainbikerouten angebracht wurden. Zusätzlich wurde eine Versicherung eingeführt, mit der sich Bauern gegen Angriffe ihrer Kühe versichern können. „Ein Angebot, das sehr gut angenommen wird“, berichtet Hechenberger. In der Tatsache, dass es vergangenen Sommer keine Meldungen von Kuh-Angriffen auf Erholungssuchende gegeben hat, sieht er eine Bestätigung dieses Weges.
Doch warum kommt es überhaupt zu solchen Vorfällen? Und werden sie mehr? Philipp Wenz wird von Medien gerne als „Kuhflüsterer“ tituliert. Der Deutsche hält mit seiner Firma Low-Stress-Stockmanship in seiner Heimat und auch in Österreich Vorträge über sichere und effiziente Arbeit mit Weidetieren. Er habe keine Statistiken, viel mehr Eindrücke, warum solche Unfälle, egal ob mit Bauern oder Wanderern, passieren. „Es kommt darauf an, ob es sich um Mutterkühe oder Milchkühe handelt. Ob ein Kalb in der Nähe ist oder ein Hund mit dem Wanderer geht.“ Durch die größer werdenden Betriebe und die Mutterkuhhaltung gebe es aber eine gewisse Entfernung zwischen Mensch und Tier. Das treffe Betriebe mit 2500 Kühen, aber auch solche mir zwei Tieren. „Der Prozess hat eingesetzt, dass wir an die Grenzen unserer traditionellen Tierhaltungstechniken kommen“, sagt der Experte, der in Kursen Techniken lehrt, wie man mit den Tieren anders umgeht und arbeitet. So habe ihn einst ein österreichischer Bauer gefragt, wie er nach dem Ende der Almsaison wieder an seine Tiere herankomme. Der Mann hatte 15 Tiere. (np, mw)