IS - Sunnitische Moscheen-Stadt Falluja hat wechselvolle Geschichte
Bagdad/Falluja (APA/AFP) - Moscheen-Stadt, Al-Kaida-Hochburg, „Kopf der Schlange“ - Falluja hat viele Namen, und viele von ihnen sind wenig ...
Bagdad/Falluja (APA/AFP) - Moscheen-Stadt, Al-Kaida-Hochburg, „Kopf der Schlange“ - Falluja hat viele Namen, und viele von ihnen sind wenig rühmlich. Die Sunniten-Hochburg nur 60 Kilometer westlich von der irakischen Hauptstadt Bagdad ist in den vergangenen zwei Jahren zu einer Hochburg der Jihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) geworden.
Seit Tagen kämpfen irakische Truppen mit Luftunterstützung der westlichen Militärallianz um ihre Rückeroberung, am Montag drangen Elitesoldaten in die Stadt ein.
Einst ein kleiner Handelsplatz am Euphrat, ist Falluja bis heute eine eher kleine Stadt. Umso größer und schwieriger aber ist ihre politische Rolle. Ihr Ruf als Widerstandsnest, der weit vor die US-geführte Invasion im Irak im Jahr 2003 zurückreicht, liegt in der Macht sunnitischer Stämme begründet, die in Falluja schon immer eine große Rolle spielten.
Ein Fanal für das ganze Land ging im Jahr 1920 von Falluja aus. Nach der Ausrufung des Jihad gegen die britischen Kolonialherren in Mesopotamien und der Ermordung eines britischen Offiziers brach eine landesweite Revolte gegen die Briten aus. Diese Revolte stand Pate für die 2003 gegründete Rebellengruppe „1920 Revolutionsbrigaden“, die bis 2014 in der Region von Falluja aktiv war, bevor sie vom IS geschluckt wurde.
Als Stadt der Moscheen ist Falluja eine bedeutende religiöse Hochburg der irakischen sunnitischen Minderheit. Hunderte Minarette beherrschen die Silhouette der Stadt, die einen Kreuzungspunkt wichtiger Verkehrsadern von und nach Saudi-Arabien und Jordanien bildet. Das macht unter anderem auch ihre strategische und wirtschaftliche Bedeutung aus. Ideologisch ist Falluja ein Zentrum des besonders konservativen Islamverständnisses des Wahhabismus, wie er das Staatswesen Saudi-Arabiens prägt.
Dem früheren irakischen Machthaber Saddam Hussein stand Falluja als Sunniten-Hochburg zwar nicht feindlich gegenüber, war ihm aber auch nicht ergeben. Saddam Hussein ließ mehrere radikale sunnitische Geistliche aus Falluja einsperren, gleichzeitig ließ er die Stadt aber auch von der Politik der Baath-Partei profitieren.
Weltweit Bekanntheit erlangte Falluja durch einen Anschlag auf einen Konvoi mit vier Mitarbeitern des privaten US-Militärberatungsunternehmens Blackwater. Die Männer wurden getötet und ihre Leichen von einer Euphrat-Brücke gehängt, die seither als „Blackwater-Brücke“ bekannt ist. Die Fotos gehören zu den bekanntesten Bildern aus dem US-geführten Irak-Krieg von 2003.
Die im November 2004 in Falluja gestartete US-Militäroperation „Phantom Fury“ entwickelte sich für die US-Streitkräfte schnell zu einer der blutigsten Schlachten seit den Offensiven im Vietnam-Krieg. Haus für Haus durchkämmten US-Truppen die Stadt, die damals eine Al-Kaida-Hochburg war, kontrolliert von der Terrororganisation des Statthalters des Netzwerks im Irak, Abu Mussab al-Zarqawi. 95 US-Soldaten wurden bei den Kämpfen getötet, mehr als 500 weitere verletzt. Nach unterschiedlichen Schätzungen starben 1.000 bis 1.500 Aufständische, auch mehrere Hunderte Zivilisten sollen getötet worden sein.
Anfang 2014 wurde die Stadt erneut zu einer Hochburg staatsfeindlicher Kräfte, als die irakischen Sicherheitskräfte die Stadt in der Provinz Anbar aufgaben und kurz darauf der IS Einzug hielt. Jetzt soll Falluja wieder befreit werden - die Stadt, in der aus Sicht vieler Iraker der Vormarsch des IS begann und die auch „Kopf der Schlange“ genannt wird.