Nur nicht in Schönheit aussterben
Der Tiroler Peter Huemer setzt sich als einer der wenigen Experten in Österreich für Schmetterlinge ein. Mit einer App von Global 2000 können auch Laien zum Schutz bedrohter Arten beitragen.
Von Matthias Christler
Innsbruck –Da schau her, ein schöner, bunter Schmetterling flattert über die Blumenwiese. Dieses Sinnbild des ökologischen Gleichgewichts ist immer seltener tatsächlich in der Natur anzutreffen. Bodenversiegelung, landwirtschaftliche Intensivierung und der Einsatz von Pestiziden zerstören den Lebensraum vieler Schmetterlingsarten. Im Gemeindegebiet von Innsbruck zum Beispiel trifft man von den jemals gemeldeten 2000 Arten aktuell noch 1200 an. In Europa haben sich die Bestände seit 1990 überhaupt halbiert.
Um die Bedrohung der Biene wird dennoch mehr Wind gemacht. „Im Gegensatz zu den Bienen mit den Imkern haben die Schmetterlinge keine eigene Lobby“, sagt Martin Aschauer von der Umweltorganisation Global 2000, die mit der Stiftung „Blühendes Österreich“ auf die Bedrohung der Schmetterlinge aufmerksam macht. Der Falter droht in Schönheit zu sterben. Denn was nützt das bunte Insekt der Allgemeinheit schon? Peter Huemer, Schmetterlingsexperte und Leiter der naturwissenschaftlichen Abteilung im Landesmuseum Ferdinandeum, „verabscheut“ diese Frage: „Muss immer nach dem Nutzen gefragt werden? Ist es nicht ein Nutzen, wenn man sich an etwas Schönem erfreut?“, lauten seine Gegenfragen.
Außerdem seien die Tiere sehr wohl nützlich, wie er aufzählt: Sie sind die größte Bestäubergruppe nach den Bienen und als Raupen Futter für Vögel, wodurch sie den Nahrungskreislauf im Gleichgewicht halten. „Bei vielen Arten können wir gar nicht sagen, was sie uns nützen, weil wir es noch nicht wissen“, sagt Huemer. Er vergleicht die Bedeutung der Schmetterlinge mit einem Mosaik: „Es ist nicht zusammengesetzt, aber wir nehmen jetzt schon Steine weg.“ Ein drastisches Beispiel dafür ist der Südtiroler Vinschgau. Aufgrund des intensiven Obstanbaus inklusive Pestizid-Einsatzes mag die Natur bunt und lebensfreundlich aussehen, sie ist es aber nicht. In manchen für eine Studie untersuchten Talbereichen wurden nur noch 14 bis 30 Arten mit 68 bis 201 Individuen gefunden; in einer vergleichbaren Untersuchungsfläche im Tal ohne intensiven Obstanbau stellten die Experten 79 Arten mit mehr als 1800 Individuen fest. Huemer unterstützt daher Global 2000 und die Rewe-Gruppe dabei, dass Lebensräume wie Wiesen, Auen oder Moore erhalten bzw. neue geschaffen werden. Bei manchen Schmetterlingsarten sei es aber schon zu spät, sie zu retten, betont Huemer. In Österreich werden 51,6 Prozent aller Tagfalter als gefährdet eingestuft. „Wir richten den Fokus auf die im Moment nicht gefährdeten Arten.“
Mit „wir“ meint Huemer nicht nur Experten wie er einer ist, sondern im Prinzip jeden, der in der Natur unterwegs ist. Und mit „Fokus“ ist auch die Kamera des Smartphones gemeint. Global 2000 startet am 9. Juni eine App, mit der jeder helfen kann, Arten in Österreich zu bestimmen. „Wir haben uns die Dating-App Tinder als Vorbild genommen“, sagt Aschauer von Global 2000. „Mit Tinder kann man Menschen in seiner Umgebung kennen lernen. Mit der App findet man Schmetterlinge in der Umgebung.“ Das funktioniert so: Wer in der Natur einen Schmetterling sieht, fotografiert diesen. Die App grenzt die möglichen Arten anhand des Ortes, wo man den Schmetterling fotografiert hat, ein. Durch Wischen am Display kann man wie bei Tinder den Schmetterling mit anderen vergleichen und so die richtige Art bestimmen. „Das wird die erste Schmetterlings-volkszählung. Die Daten und Fotos sind für alle öffentlich zugänglich“, erklärt Aschauer.
So sollen auch Experten wie Huemer auf die Daten zugreifen können. Zu wissen, welche Arten noch da sind, ist der erste Schritt, um den Schmetterling vor dem Aussterben in Schönheit zu bewahren.
Schmetterlingsreport: Auf https://www.global2000.at/sites/global/files/Schmetterlingsreport.PDF finden Sie Peter Huemers „Schmetterlingsreport. Der stille Tod der österreichischen Schmetterlinge“.
App: Die Schmetterlings-App von Global 2000 wird am 9. Juni veröffentlicht.