Bruder mit Handicap ändert für Hitler-Biograf nichts Grundsätzliches

Braunau am Inn (APA/dpa) - Die Entdeckung des Historikers Florian Kotanko, dass Adolf Hitler einen jüngeren Bruder mit Wasserkopf gehabt und...

Braunau am Inn (APA/dpa) - Die Entdeckung des Historikers Florian Kotanko, dass Adolf Hitler einen jüngeren Bruder mit Wasserkopf gehabt und dessen frühen Tod miterlebt habe, ist für den Hitler-Biografen Peter Longerich eher ein historisches Detail. Es verändere nichts Grundsätzliches am Bild des Diktators. „Unser Wissen über die Kindheit Hitlers ist allerdings sehr vage und lückenhaft“, räumte er gegenüber der dpa ein.

Bisher ging man davon aus, dass Hitler 1889 in Braunau als viertes von sechs Kindern geboren wurde und seine drei jüngeren Geschwister alle als Kleinkinder starben. Kotanko, Vorsitzender des Vereins für Zeitgeschichte in Braunau, hat herausgefunden, dass die bisher angenommene Reihenfolge der Geschwister nicht korrekt ist und Hitler der Drittgeborene war. Daraus ergibt sich, dass er als Dreijähriger miterlebt haben muss, wie sein sieben Tage alte Bruder Otto, der mit einem Wasserkopf auf die Welt gekommen war, starb.

Dieses Ereignis könne möglicherweise auch Auswirkungen auf Hitlers Einstellung gegenüber Menschen mit Beeinträchtigungen gehabt haben, die im Nationalsozialismus als „unwertes Leben“ massenhaft ermordet worden sind, vermutet Kotanko. Hitlers Mutter Klara habe Adolf nach bisheriger Darstellung ihre ungeteilte Liebe geschenkt, diese Lesart der Mutter-Kind-Beziehung sei nun zu überdenken, findet er.

Hitlers Kindheit sei sicherlich durch Todesfälle überschattet worden, meinte auch Longerich im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa). „Hitler ist in einer Familie aufgewachsen, wo der Tod zu Hause war.“ Die Rolle von Mutter Klara auf die seelische Prägung Hitlers ist laut Longerich nicht eindeutig zu beantworten. „Vieles spricht dafür, dass sie phasenweise eine kalte und dann wieder eine überfürsorgliche Mutter war.“ Jedenfalls könne hier der Grundstein gelegt worden sein für Hitlers lebenslange Unfähigkeit, eine engere Bindung zu anderen Menschen einzugehen, so der Historiker.