Sturm auf irakisches Falluja stockt - Zivilisten im Kreuzfeuer
Falluja (APA/Reuters) - Die radikalislamische IS-Miliz hat mit massiver Gegenwehr den Ansturm der irakischen Armee auf Falluja zum Stocken g...
Falluja (APA/Reuters) - Die radikalislamische IS-Miliz hat mit massiver Gegenwehr den Ansturm der irakischen Armee auf Falluja zum Stocken gebracht. Nach Informationen des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) missbrauchten die Extremisten dabei auch Hunderte Familien im Stadtzentrum als menschliche Schutzschilde.
Nur einem Bruchteil der schätzungsweise 50.000 eingeschlossenen Zivilisten gelang die Flucht, während die Soldaten ihren Vorstoß in der Nacht zum Dienstag vorerst einstellten. „Unsere Streitkräfte gerieten unter heftigen Beschuss“, sagte ein Kommandant im Stützpunkt Camp Tariq südlich von Falluja. Die Eliteeinheiten harrten in Tunneln und Schützengräben etwa 500 Meter vom südöstlichen Stadtteil Al-Shuhada entfernt aus.
Falluja ist nach Mosul die zweitgrößte irakische Stadt, die der „Islamische Staat“ (IS) nach einigen deutlichen Rückschlägen noch kontrolliert. Die irakische Regierung erhofft sich die Wende im Kampf gegen die Islamisten, sollte die Rückeroberung der Stadt gelingen, die 2014 als erste große Bastion von den Extremisten eingenommenen wurde. Seit mehr als sechs Monaten wird die IS-Hochburg 50 Kilometer westlich von Bagdad belagert. Vor gut einer Woche startete die Armee dann eine Offensive. Am Montag setzte sie unterstützt von der internationalen Militärallianz zur Erstürmung an und stieß zunächst bis in Randgebiete vor.
Für die Zehntausenden Zivilisten, die in der IS-Hochburg eingeschlossen sind, spitzte sich die Lage unterdessen weiter zu. Zur Zahl der Opfer gab es unterschiedliche Angaben, es sind aber wohl Dutzende. Dem UNHCR liegen Berichte von Vertriebenen vor, wonach Zivilisten beim Beschuss im Stadtzentrum ums Leben gekommen seien.
„Es gibt auch Berichte über Hunderte Familien, die als menschliche Schutzschilde im Zentrum von Falluja eingesetzt werden“, sagte eine UNHCR-Sprecherin in Genf. Die Extremisten kontrollierten die Bewegungen von Einwohnern. „Wir wissen, dass Zivilisten daran gehindert wurden zu fliehen.“ Insgesamt sei es im Verlauf der vergangenen Woche gerade einmal 3.700 Menschen gelungen, sich aus Falluja abzusetzen. Die meisten von ihnen stammten aus Randbezirken.
In der Stadt selbst gibt es nur begrenzten Zugang zu Trinkwasser, Lebensmitteln und medizinischer Versorgung. Der Generalsekretär des Norwegischen Flüchtlingsrats (NRC), Jan Egeland, warnte vor einer Katastrophe für die Menschen. „Familien stecken im Kreuzfeuer fest, einen sicheren Weg nach draußen gibt es nicht.“ Hilfsorganisationen können in Falluja nicht agieren, sie haben aber Camps aufgebaut, um wenigstens denen zu helfen, die es rausschaffen.
Auch in Syrien, wo der IS ebenfalls Teile des Landes kontrolliert, sind Tausende Zivilisten zwischen die Fronten geraten. Die Vereinten Nationen äußerten sich insbesondere besorgt über das Schicksal von etwa 8.000 Syrern, die wegen Kämpfen nördlich von Aleppo feststeckten. Dort liefert sich der IS Gefechte mit Rebellen, die von der Türkei unterstützt werden. Diese Aufständischen wiederum sind aber auch in Auseinandersetzungen mit kurdischen Rebellen verstrickt. Die kurdischen Behörden hinderten deshalb nach UN-Angaben Zivilisten daran, sich vor den Kämpfen bei Aleppo auf kurdischem Gebiet in Sicherheit zu bringen.
Russland wies unterdessen Vorwürfe zurück, Angriffe auf die syrische Rebellenhochburg Idlib nahe der Grenze zur Türkei geflogen zu haben. Die Regierung in Ankara erklärte, bei den Angriffen in der Nacht seien mehr als 60 Zivilisten getötet worden. Die syrische Regierung und ihr Verbündeter Russland hätten ein unhaltbares Verbrechen begangen. Die oppositionsnahe Beobachterstelle für Menschenrechte sprach von 23 Toten.