Fußball-EM: Österreicher 2 - Online-Zocken spielt geringe Rolle
Wien (APA) - Im Gegensatz zur öffentlichen Wahrnehmung haben Online-Sportwetten in den vergangenen Jahren sogar an Marktanteil verloren. Das...
Wien (APA) - Im Gegensatz zur öffentlichen Wahrnehmung haben Online-Sportwetten in den vergangenen Jahren sogar an Marktanteil verloren. Das liegt laut Berater Andreas Kreutzer zum einen am Verbot von Glücksspielautomaten in Wien. Die Lokale gibt es noch immer, nur stehen jetzt dort statt Glücksspielgeräten Sportwettenautomaten. Und: „Sportwetten sind ein Abfallprodukt des Public-Viewing-Booms.“
„Beim Fußball gewinnt das gemeinsame Spielerlebnis im öffentlichen Raum an Bedeutung. Davon profitieren die terrestrischen Sportwettenanbieter.“ Die Sportwettlokale seien sozusagen „kleine Wirtshäuser, wo man auch Bier trinkt und sich mit Freunden trifft“.
Dass stets von einem Boom des Online-Zockens die Rede ist, liegt daran, dass Online-Anbieter wie Branchenprimus GVC Holdings (ehemals bwin.party) oder auch bet-at-home den Großteil ihres Umsatzes mit Casinospielen machen. Diese zählen in Österreich als Glücksspiel, nicht als Sportwetten. „Aufs Jahr hochgerechnet machen wir mit Sportwetten und Casinospielen etwa gleich viel Ertrag“, bestätigt bet-at-home-Sprecher Claus Retschitzegger der APA.
Großereignisse wie eine EM sind für Online-Anbieter aber wichtig, um die Marke bekannt zu machen und neue Kunden zu gewinnen. Ein Jahr mit einer Fußball-Europameisterschaft beschert Wettfirmen üblicherweise ein 13. Umsatzmonat, eine Weltmeisterschaft sogar ein 14. Bei Tipp 3 kommt die heurige EM sogar an eine WM heran.
Wieviel den Wettkonzernen aber unterm Strich übrigbleibt, hängt von den Spielausgängen ab. Als Faustregel gilt: Außenseitersiege sind gut für die Kunden und schlecht für die Buchmacher, bei Favoritensiegen verhält es sich umgekehrt. Im Einzelfall spielen aber mehrere Faktoren mit. „Im Grunde genommen versucht der Buchmacher, dass er, egal wie das Spiel ausgeht, etwas gewinnt. Die Einsätze gleicht er über die Quote aus“, sagt Kreutzer. Wenn ganz viele Kunden dieselbe Wette abgeben, müssen sich die Buchmacher über Hedging absichern, um eine „halbwegs attraktive Quote zusammenzubringen“.
Was die Ausschüttungsquoten betrifft, sind diese gar nicht unattraktiv, wie viele glauben. Kreutzer zufolge werden bei Sportwetten weit über 80 Prozent der Einsätze wieder an die Spieler ausgezahlt. Bei sogenannten Lebendspielen in Casinos, etwa Roulette, seien es rund 97 Prozent, bei Glücksspielautomaten um die 90 Prozent und bei Lotteriespielen lediglich 50 Prozent.
In Jahren mit Fußballgroßereignissen sind die durchschnittlichen Einsätze geringer. „Da wetten mehr Leute, die sonst nicht wetten“, sagt Kreutzer. Mit den „High Rollern“, wie der Branchenexperte Vielzocker nennt, verdienen die Anbieter in der Regel besser. Bei Tipp3 beträgt der durchschnittliche Einsatz während einer EM laut Geschäftsführer Philip Newald rund 10 bis 15 Euro, bei bet-at-home ist es Retschitzegger zufolge ebenfalls „ein niedriger zweistelliger Betrag. Es hängt aber auch vom Einkommensniveau der Länder ab.“
Fußballwetten sind nach wie vor männlich. „Unsere Kerngruppe sind Männer zwischen 18 und 45 und mit dem Internet vertraut“, sagt der bet-at-home-Sprecher. Tipp3-Kunden sind hingegen weniger die rein „Wettaffinen“, sondern eher die, „die auch auf den Fußballplatz gehen“, so Geschäftsführer Newald. Männlich und zwischen 25 und 50 ist die Zielgruppe aber auch.
Sogenannte Ereigniswetten, auch Live-Wetten genannt, sind in der Branche äußerst umstritten. Für Berater Kreutzer handelt es sich bei Wetten wie „wer schießt den nächsten Elfmeter?“ nicht um Sportwetten, sondern um Glücksspiel, da hier der Zufall überwiege. Ereigniswetten sollten daher auch im Bundes-Glücksspielgesetz (GSpG) geregelt werden, nicht in den einzelnen Wettgesetzen der Länder. Derzeit, kritisiert Kreutzer, „doktern“ die meisten Bundesländer an ihren Regelungen herum und erlassen Verbote von Ereigniswetten.
Tipp3-Chef Newald verweist in diesem Zusammenhang auf eine freiwillige Selbstbeschränkung einiger österreichischer Anbieter. Seit rund einem Jahr offerieren sie bestimmte Wetten nicht mehr. bet-at-home ist nicht dabei. „Aus unserer Sicht geht die Diskussion in die völlig falsche Richtung. Live-Wetten sind nicht böse, sondern eine Bereicherung für die Kunden. Wenn es um Spielmanipulationen geht, ist der asiatische Markt viel risikobehafteter als der europäische. Dort kann man sehr große Einsätze platzieren. Bei Live-Wetten sind die Einsätze geringer“, sagt Sprecher Retschitzegger. Berater Kreutzer ist um eine Begriffstrennung bemüht: „Live-Wette heißt nur, dass ich während des Ereignisses wetten darf. Das hat es immer gegeben. Ereigniswetten sind im Grunde keine Wetten.“