Seeanemonen organisieren ihren Körper ähnlich wie Menschen

Wien (APA) - Wo bei Menschen, Schlangen und Molchen der Kopf und wo das Hinterteil ist, entscheiden früh in der Entwicklung „Organisator“-Ze...

Wien (APA) - Wo bei Menschen, Schlangen und Molchen der Kopf und wo das Hinterteil ist, entscheiden früh in der Entwicklung „Organisator“-Zellen durch Signalstoffe. Das selbe System mit den selben Boten gibt es auch bei Seeanemonen, fanden österreichische Forscher mit Kollegen heraus. Es entstand also vor über 600 Millionen Jahren bei gemeinsamen Vorfahren, berichten sie im Fachmagazin „Nature Communications“.

„Am Beginn der Entwicklung stülpt sich ein Teil des Embryos quasi nach innen“, erklärte Ulrich Technau vom Department für Molekulare Evolution und Entwicklung der Universität Wien der APA. Bei diesem Vorgang (Gastrulation) entsteht beim Urmund ein Knickpunkt, den man Blastoporus-Lippe nennt. Genau dort sitzt der große Organisator der Körperachsen.

Bereits in den 1920er-Jahren hat der deutsche Biologe Hans Spemann diesen Organisator bei Molchen auf die andere Seite eines Embryos transplantiert, worauf sich eine zweite vorne-hinten Körperachse und damit ein siamesischer Zwilling bildete. Dafür bekam er 1935 den Medizin-Nobelpreis. Mittlerweile haben die Entwicklungsbiologen herausgefunden, dass dies mittels „Wnt-Botenstoffen“ funktioniert. Sie können eine zweite Haupt-Körperachse hervorrufen, wenn sie in einen Embryo injiziert werden.

„Bisher hat man geglaubt, dass dieser Organisator eine neue Erfindung der Wirbeltiere ist, weil er beispielsweise bei Insekten und Würmern nicht ohne weiteres zu finden war“, sagte Technau. Mit Kollegen hat er in Seeanemonen (Nematostella vectensis) die selbe Art von Transplantationen durchgeführt und auch dort entstand eine zweite Haupt-Körperachse.

Die Forscher konnten zeigen, dass die selben Botenstoffe (Wnt1 und Wnt3) dafür gebraucht werden. „Das System ist also offensichtlich schon uralt und in gemeinsamen Vorfahren von Wirbeltieren und den Seeanemonen entstanden“, so der Biologe. Diese lebten vor mindestens 600 Millionen Jahren.

Im Vorjahr hat Technau mit seinem Team bereits zeigen können, dass die an sich kreisrunden Seeanemonen auch jenes System besitzen, mit dem Wirbeltiere ihre zweite Körperachse (Bauch-Rücken) bilden. Mit einem weiteren Signalstoff namens „BMP“ arrangieren sie freilich weder Rücken noch Bauch noch das Zentrale Nervensystem, wie die Wirbeltiere, aber die Position von inneren Einfaltungen (Septen) wird festgelegt, in denen sich die Längsmuskeln und Geschlechtsdrüsen der Seeanemonen bilden. „Dieser Signalweg ist von jenem der Hauptachse abhängig, er wird nämlich von den Wnt-Botenstoffen erst angeschaltet“, berichtet Technau.

(S E R V I C E - Internet: http://dx.doi.org/10.1038/ncomms11694)