Wiener Festwochen - Doku-Theater aus Rumänien: „Gewöhnliche Menschen“
Wien (APA) - Whistleblower sind „gewöhnliche Menschen“, die sich nicht damit abfinden wollen, dass in ihrer engsten Arbeitsumgebung graviere...
Wien (APA) - Whistleblower sind „gewöhnliche Menschen“, die sich nicht damit abfinden wollen, dass in ihrer engsten Arbeitsumgebung gravierende Missstände herrschen. Sie zeigen diese an, machen sie öffentlich - und zahlen einen hohen Preis dafür. Diese Grundthese dekliniert eine rumänische Theaterproduktion, die seit gestern im Rahmen der Wiener Festwochen im Theater Akzent gastiert, 100 Minuten lang durch.
Korruption und Unterschlagung, Mobbing, Nachlässigkeit oder Freunderlwirtschaft - die Beobachtungen, die einfache Angestellte handeln lassen, können mannigfaltig sein. Das Szenario, das dem Aufzeigen der Misslichkeiten folgt, ist jedoch fast immer dasselbe: Das Weiterarbeiten im Kollegenkreis ist unmöglich, während die eigentlich Schuldigen meist glimpflich davonkommen, öffentliche Anerkennung kontrastiert hart mit der Zerstörung der eigenen Karriere, mit Krisen in Gesundheit und Privatleben. Das ist zwar überaus bedrückend, aber noch nicht per se theatertauglich.
Gianina Carbunariu, 1977 geborene Regisseurin der rumänischen Independent-Theaterszene mit großen Erfolgen auch im Ausland, hat zu Aufdeckungen von Missständen in einem Londoner Spital, in italienischen und rumänischen Ministerien, Regional- und Straßenbauämtern recherchiert und lässt in „Gewöhnliche Menschen“ (Premiere war im Mai in Sibiu) eine sechsköpfige in graue Anzüge und Kostüme gekleidete Darstellertruppe vor allem sehr, sehr viel Text abliefern. Sie verschneidet die einzelnen Fälle und verzichtet darauf, sie zu einer dramatischen Handlung zuzuspitzen. Einzig der Fall eines in Saudi Arabien tätigen Briten, der einem seit Jahrzehnten etablierten und bis ins saudische Königshaus reichenden Schmiergeld-Zahlungs-System auf die Spur kommt, bringt kurzfristig Thriller-Spannung in das trockene und statische Dokumentar-Theater, das man sich über weite Strecken auch als Hörspiel vorstellen könnte.
Mitunter lässt vor der mit vielen Akten-Fächern und Klappensystemen ausgestatteten Rückwand Franz Kafka grüßen, so vielfältig sind die Möglichkeiten des Systems, seine Kritiker ins Leere laufen zu lassen. Diesen harten und gewundenen Weg zur Gerechtigkeit gehen die Wenigsten bis zum Ende. „Ich hatte keine Wahl, ich musste so handeln“, erzählt eine Whistleblowerin in einem jener kurzen Video-Interview-Ausschnitte, die sich gegen Ende des Abends häufen. Ein anderer sagt, es sei wichtig, anderen mit dem eigenen Beispiel Mut zu machen: „Es soll nicht mit ‚Ende‘ enden. Sondern mit ‚Fortsetzung folgt‘.“ Was für diese Produktion nicht uneingeschränkt gilt. Die Botschaft ist angekommen. Anerkennender, leicht erschöpfter Beifall.
(S E R V I C E - „Gewöhnliche Menschen“ von Gianina Carbunariu, Konzept und Inszenierung: Gianina Carbunariu, Bühne, Kostüme und Video: Mihai Pacurar, Musik: Bogdan Burlacianu, Gastspiel des Teatrul National Radu Stanca Sibiu im Rahmen der Wiener Festwochen, Theater Akzent, Weitere Aufführungen: 1., 2.6., 20 Uhr, Karten: 01 / 589 11 22, www.festwochen.at)