Film und TV

Schönheit und Elend am Hof

© Polyfilm

Drei Filme über den Zustand von Erde und Landwirtschaft: Mélanie Laurent möchte mit „Tomorrow“ die Welt retten, die Bauern in „Seit die Welt Welt ist“ und „Holz Erde Fleisch“ bangen um ihre Zukunft.

Von Peter Angerer

Innsbruck –Der deutsche Dokumentarfilmer Valentin Thurn hatte sein Erweckungserlebnis vor der Mülltonne eines Supermarktes. Im Abfall entdeckte er das Symbol für den Überfluss, der dazugehörige Film „Taste the Waste“ wurde 2011 ein internationaler Erfolg. 2015 kam Thurns Film „10 Milliarden – Wie werden wir alle satt?“ in die Kinos. Wer diesen Film über Hunger und die Ernährungsprobleme der Welt gesehen hat, kennt viele der Protagonisten von „Tomorrow – Die Welt ist voller Lösungen“.

Der Regisseur Cyril Dion und die Schauspielerin Mélanie Laurent erkundigen sich in Kalifornien bei zwei Forschern nach dem Zustand der Erde, die Ankündigung des bevorstehenden Kollapses durch den Klimawandel betrachten sie als Reiseauftrag, in der Welt nach Rettungslösungen zu suchen. Wie Thurn finden sie in Totnes, im englischen Devonshire, Rob Hopkins, den Gründer der Bewegung „Städte im Übergang“. Für Konsumenten, die lokale Produkte kaufen, hat er eine Parallelwährung eingeführt, um das Bewusstsein für die Transportwege der Lebensmittel zu schärfen und gleichermaßen zu belohnen. Auf öffentlichen Plätzen, sogar auf Verkehrsinseln wurden Kleingärten angelegt. Der Gemüse- und Kräutergarten vor der örtlichen Polizeistation ist längst zu einem Klassiker des „urban Gardening“ geworden, auf den kein Umweltfilm verzichten kann. In Kopenhagen bewundern die französischen Umweltaktivisten den großzügigen Ausbau der Radwege. In der indischen Kleinstadt Kutthambakkam lassen sie sich die Einführung der direkten Demokratie erklären, die durch die damit verbundene Verantwortung für jeden Bewohner – über Kastengrenzen hinweg – zu einer Verbesserung der Lebensqualität geführt hat. Dabei machen Dion und Laurent nichts falsch, aber es ist neben der vorgeführten Naivität das Beharren auf einem Wohlfühlfilm, das unangenehm berührt. Das Erstaunlichste an „Tomorrow“ ist die Finanzierungsform. Cyril Dion und der Filmstar Mélanie Laurent (Die Filmvorführerin in „Inglourious Basterds“) eröffneten die Crowdfunding-Plattform „KissKissBankBank“, mit der 10.266 „KissBankers“ für die üppig gepolsterte Produktion gewonnen werden konnten.

Während sich in „Tomorrow“ ein ehemaliger Seemann und eine Anwältin für den Wechsel in die Landwirtschaft entscheiden, um mit Permakultur-Konzept und ohne mechanische oder motorisierte Hilfsgeräte die Welt retten wollen, bangen die Bauern in den österreichischen Filmen „Seit die Welt Welt ist“ von Günter Schwaiger und „Holz Erde Fleisch“ von Sigmund Steiner schon um die nahe Zukunft ihrer seit Generationen in den Familien bewahrten Landwirtschaften, denn die nächste Generation hat angesichts der globalen Ereignisse ganz andere Visionen zur persönlichen Selbstverwirklichung.

Sigmund Steiner, für seinen Film „Holz Erde Fleisch“ zuletzt bei der Diagonale mit dem Preis für den besten Dokumentarfilm ausgezeichnet, musste seinen Vater enttäuschen, als er sich gegen die Übernahme des elterlichen Hofes und stattdessen für ein Regiestudium entschied. Seinen Film hat er als Brief an den Vater inszeniert, um einerseits von der Notwendigkeit und der Schönheit des Bauernberufes zu erzählen, aber auch um den Vater zu überzeugen, dass niemandem geholfen ist, wenn einer, nur der Familientradition folgend, Bauer wird. Ein Bauer weiß die Vorarbeit etwa des Urgroßvaters zu schätzen und denkt beim Waldbestand seinerseits an Urenkel oder Enkelin. Zum Handwerk des Bauern, der das Leben schätzt, gehört aber auch das Töten von Tieren. Bei Steiner sagt ein Bauer zu seinem Schaf „Danke“, bevor er das Bolzenschussgerät ansetzt.

Auch Günter Schwaigers „Seit die Welt Welt ist“ beginnt mit einer Schlachtszene. Blutwurst wird gestopft, vom Schinken schneidet der Bauer Gonzalo erst in einem Jahr feine Scheiben und trinkt dazu schweren Roten, den er in einem kleinen Weinberg anbaut. Er hat sich zum Anbau von Zuckerrüben überreden lassen, doch der Frost im kastilischen Hochland ist beinahe so unerbittlich wie die Wildschweine, die bisweilen die Hälfte seiner Ernte rauben. Es ist hart, dieses Bauernleben, und Gonzalo ist mit dem Blick auf seine Frau, die Häute zu Wursttaschen näht, ehrlich genug zuzugeben, dass der Hof ohne Rosas Einkommen als Krankenschwester längst nicht mehr existieren könnte. Der in Spanien lebende Regisseur hat Gonzalo zu jeder Jahreszeit besucht und mit Respekt bei der Arbeit beobachtet. Gonzalos Zukunft ist ungewiss, auch weil es für Bauern wie ihn keine Lobbyisten gibt.

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