Brexit - Befürworter: Pläne für verschärftes Einwanderungsrecht

London (APA/AFP/Reuters) - Knapp drei Wochen vor dem EU-Referendum in Großbritannien haben die Brexit-Befürworter Pläne für eine Verschärfun...

London (APA/AFP/Reuters) - Knapp drei Wochen vor dem EU-Referendum in Großbritannien haben die Brexit-Befürworter Pläne für eine Verschärfung des Einwanderungsrechts vorgestellt. Die Kampagne Vote Leave (in etwa: Stimmt für den Austritt), die unter anderem von Londons Ex-Bürgermeister Boris Johnson unterstützt wird, sprach sich am Mittwoch für ein Punktesystem nach australischem Vorbild aus, das auch für Einwanderer aus EU-Ländern gelten soll.

EU-Bürger sollten nicht länger das „automatische Recht“ haben, in Großbritannien zu leben und zu arbeiten, forderte Vote Leave in einer Erklärung. Nach dem Willen der Brexit-Befürworter sollen alle Zuwanderer gute Englischkenntnisse nachweisen und einen Eignungstest ablegen müssen. So werde „Gerechtigkeit“ zwischen EU-Bürgern und anderen Zuwanderern hergestellt, erklärte Vote Leave. Für Iren und bereits in Großbritannien arbeitende EU-Bürger sollen die verschärften Regeln nicht gelten.

Australien steuert die Einwanderung von Arbeitskräften schon seit Jahren über ein Punktesystem und gilt damit international als Vorreiter. Um den Fachkräftemangel in bestimmten Branchen zu lindern, erhalten qualifizierte Zuwanderer nach Kriterien wie Alter, Sprachkenntnissen und Berufserfahrung eine bestimmte Punktzahl. Wer am besten abschneidet, darf einwandern.

Vote Leave will das Punktesystem nach eigenen Angaben nach einem Sieg beim Referendum noch vor der nächsten Parlamentswahl im Jahr 2020 einführen. Dies wird auch als Kampfansage an Premierminister David Cameron gewertet, der den Verbleib in der EU befürwortet, nach einer Niederlage aber nicht zurücktreten will.

Die Volksabstimmung über den Verbleib Großbritanniens in der EU findet am 23. Juni statt. Es wird mit einer knappen Entscheidung gerechnet. In zwei neuen Meinungsumfragen vom Dienstag lagen die Brexit-Befürworter vorne.

Der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) warnte vor schwerwiegenden Folgen eines britischen Austritts aus der EU. „Das Gewicht der EU, aber auch das Vertrauen in den Zusammenhalt und die Festigkeit der EU würden dramatisch sinken“, sagte Gabriel am Mittwoch in Berlin. Schon die ökonomischen Folgen wären für Großbritannien und auch Europa gravierend, sagte der SPD-Politiker. Er verwies zudem auf die zu erwartenden negativen Reaktionen der Finanzmärkte auf einen Brexit nach dem Referendum auf der Insel am 23. Juni. Noch schwerwiegender seien aber die politischen Kosten. „Dieses Europa würde weniger ernst genommen werden“, warnte Gabriel.

In den kommenden Jahren würden sich die USA zunehmend aus dem arabischen Raum zurückziehen, der die Nachbarschaft der EU bilde, sagte Gabriel. Das dort entstehende Vakuum sei schon heute problematisch. Ohne Großbritannien als weltweit sehr wichtiges Land würde die EU aber auch im Nahen Osten weniger ernst genommen werden. Gabriel warnte die britischen Politiker, dass sich deren Kinder und Enkel „ziemlich beschweren“ würden, wenn nicht alles dafür getan werde, das Land in der EU zu halten.