Schweiz

Jahrhundertbauwerk eröffnet: „Bahn frei“ für den Gotthard-Tunnel

Mit 600 Darstellern hat der Theaterregisseur Volker Hesse ein Spektakel zum Mythos Gotthard am nördlichen Tunnelportal inszeniert.
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Er ist der längste Tunnel der Welt und der Stolz einer ganzen Nation: Der 57 Kilometer lange Gotthard-Basistunnel wurde am Mittwoch nach 17 Jahren Bauzeit feierlich eröffnet. Nicht nur bautechnisch ein gigantischer Erfolg für die Eidgenossen.

Zürich - Mit einem „Bahn frei“ hat der Schweizer Bundespräsident Johann Schneider-Ammann am Mittwoch den neuen Gotthardtunnel eröffnet. Auf das Signal hin fuhren zwei Züge mit jeweils 500 Bürgern vom Nord- und Südportal aus in den mit 57 Kilometern längsten Eisenbahntunnel der Welt zwischen Erstfeld im Kanton Uri und Bodio im Tessin.

Als „historischen Tag“ würdigte Schneider-Ammann die Eröffnung. An der Fertigstellung des „Jahrhundertwerks“ hätten mehrere Generationen mitgewirkt. „Es ist ein wichtiger Schritt für die Schweiz, für unsere Nachbarn und den Rest des Kontinents“, sagte das Schweizer Staatsoberhaupt. Zu den Feierlichkeiten kamen auch Österreichs neuer Kanzler Christian Kern (SPÖ) und Verkehrsminister Jörg Leichtfried sowie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident François Hollande und Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi.

Der in 17-jähriger Bauzeit für umgerechnet rund 11 Milliarden Euro (12,2 Mrd. Franken) fertiggestellte Tunnel ist das Herzstück der „Neuen Eisenbahn-Alpentransversale“ (NEAT). Mit diesem europäischen Großprojekt sollen weite Teile des Güterverkehrs zwischen dem Nordseehafen Rotterdam und Genua am Mittelmeer von der Straße auf die Schiene verlegt werden.

Ein Jahr früher fertig als geplant

Kein Wunder also, wenn jetzt von „historischen Dimensionen“ die Rede ist - und vom „Stolz einer ganzen Nation“. Mehrere Tage lang gibt es nun noch Volksfeste um die Eröffnung.

Das Jahrhundertbauwerk, das sieben Kilometer länger ist als der Eurotunnel unter dem Ärmelkanal, könnte Verantwortliche für Großprojekte in anderen Ländern vor Neid erblassen lassen: Trotz der gewaltigen Dimensionen wurde das größte Investitionsprojekt in der Geschichte der Eidgenossenschaft mit der sprichwörtlichen Präzision eines Schweizer Uhrwerks durchgezogen - ohne große Kostenüberschreitungen und am Ende sogar ein Jahr früher als 2007 nach einer nötigen Zeitplan-Korrektur geplant.

Rund 20 Mrd. Euro für gesamtes Alpentransit-Projekt

12,2 Milliarden Franken (elf Milliarden Euro) waren allein für das Kernstück des Gotthard-Basistunnels veranschlagt. Das gesamte Alpentransit-Projekt - mit weiteren Röhren durch den Lötschberg und dem Ceneri-Basistunnel zwischen Bellinzona und Lugano (Inbetriebnahme Ende 2020) sowie für die Gleisanlagen dazwischen - soll 23 Milliarden Franken kosten.

So viel Geld kann keine eidgenössische Regierung ausgeben, wenn das Volk nicht ausdrücklich zustimmt. Wie bei allem, was in der Schweiz von nationaler Bedeutung ist, gab es auch zum Gotthard-Basistunnel ein Referendum im Jahr 1998. Das Volk sagte Ja. Die Freitickets für die ersten Fahrten am Mittwoch wurden unter Zehntausenden Bewerbern verlost. Erst im zweiten Zug folgen Politiker und Staatsgäste.

Bis zur Aufnahme des regulären Bahnbetriebs wird noch einige Zeit vergehen. Erst nach 3.000 weiteren Testfahrten soll die Strecke kurz vor Weihnachten endgültig freigegeben werden. Dann endlich kann der 1882 in Betrieb genommene Gotthardtunnel zwischen Göschenen und Airolo in die Ruhestandsreserve geschickt werden.

Auch Österreichs Kanzler Kern (SPÖ) gratulierte dem Schweizer Bundespräsidenten Johann Schneider-Ammann.
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Züge fahren mit bis zu 250 km/h

Was den neuen vom alten Tunnel unterscheidet, ist neben der viel größeren Länge, vor allem die enorme Tiefe, die gerade Strecke und seine Ebenerdigkeit. Der Basistunnel verläuft bei nur geringfügigen Steigungen sowie ohne enge Kurven auf einer Höhe von maximal 550 Metern über dem Meeresspiegel. Experten sprechen daher von einer „Flachbahn“. Statt etwa 1.100 Meter Gebirgsmasse wie beim alten türmt sich über dem neuen Tunnel bis zum Gipfel des Gotthards eine Felsabdeckung von 2.300 Metern auf.

Dank dieser ingenieur- und bautechnischen Meisterleistung, an der in Spitzenzeiten 2.400 Arbeitskräfte beteiligt waren, besteht nun eine weitgehend ebene Gleisbettverbindung zwischen Nordsee und Mittelmeer. Personenzüge können den Tunnel mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 250 Stundenkilometern durchrasen. Die Verbindung zwischen Zürich und Lugano soll sich um 45 Minuten auf rund zwei Stunden verkürzen. Doch wichtiger als größere Bequemlichkeit für Reisende sind für Volkswirtschaft und Umwelt die Effekte im Güterverkehr. Pro Tag können künftig 260 Güterzüge das Gotthardmassiv durchqueren statt bisher maximal 180. Damit soll ein Teil der Gütertransporte zwischen Nord- und Südeuropa von der Straße auf die Schiene verlagert werden.

Als Tunnelarbeiter verkleidete Schauspieler bei der Eröffnungsfeier.
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„Eines der größten Umweltschutzprojekte Europas“

„Mit dem Bau der neuen Gotthardbahn verwirklicht die Schweiz eines der größten Umweltschutzprojekte Europas“, verspricht der eigens als Tochter der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) geschaffene Bauträger AlpTransit Gotthard AG. „Es trägt wesentlich zum Schutz der Alpen bei.“ Allerdings nimmt der Gütertransport insgesamt immer mehr zu. Eine größere Reduzierung der Abgas-Belastung durch Straßentransporte erwarten Experten erst, wenn weitere neue Alpentunnel fertig werden.

Dazu gehört neben dem geplanten Mont-Cenis-Basistunnel zwischen Italien und Frankreich (ebenfalls 57 Kilometer, kaum vor 2026 fertig) natürlich auch der Brenner-Basistunnel zwischen Tirol und Italien. Das Kernstück der neuen Brennerbahn soll 64 Kilometer lang und damit zum nächsten „Tunnelweltmeister“ werden. Doch bis frühestens 2026 Züge durch die Brenner-Riesenröhre rollen können, bleibt der Gotthard die Heimstatt des Eisenbahntunnel-Weltrekords. (TT.com, APA/sda/dpa)

Die weltweit längsten Tunnel

Der Gotthard-Basistunnel ist mit gut 57 Kilometern Bahnstrecke der längste Tunnel der Welt. Er löst den 1988 eröffneten Seikan-Tunnel als bisherigen Rekordhalter ab. Die Verbindung zwischen den japanischen Inseln Hokkaido und Honshu misst 53,9 Kilometer, davon etwa 23 unter dem Meer.

Der drittlängste Tunnel ist mit 50,5 Kilometern der 1994 eröffnete Eurotunnel unter dem Ärmelkanal zwischen Frankreich und England, bei dem etwa 38 Kilometer unter dem Meer verlaufen. Der weltlängste Straßentunnel ist der 2000 eröffnete Lærdalstunnel in Norwegen (24,5 Kilometer).

Österreichs längster Tunnel ist der knapp 16 Kilometer lange 2012 eröffnete Münsterertunnel an der neuen Unterinntaltrasse. Der längste Strassentunnel ist der 1978 in Betrieb gegangene Arlberg-Tunnel mit knapp 14 Kilometern Länge.

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