Bis 2020 sollen Sonderschulen die Ausnahme werden
Wien (APA) - In Österreich sind 5,4 Prozent der Pflichtschüler körperlich oder psychisch beeinträchtigt. Fast zwei Drittel davon werden scho...
Wien (APA) - In Österreich sind 5,4 Prozent der Pflichtschüler körperlich oder psychisch beeinträchtigt. Fast zwei Drittel davon werden schon jetzt nicht in Sonderschulen oder separaten Klassen, sondern gemeinsam mit Kindern ohne Behinderung unterrichtet. Bis 2020 sollen Sonderschulen generell zur Ausnahme werden. Steiermark, Tirol und Kärnten erproben als Modellregionen die Umstellung.
Im Lauf der Jahre ist die Integrationsquote - also der Prozentsatz der integriert unterrichteten Kinder - zwar über alle Bundesländer betrachtet gestiegen, gleichzeitig aber die Zahl der Sonderschüler nur unwesentlich gesunken. Grund: Bei immer mehr Schülern wird ein sonderpädagogischer Förderbedarf (SPF) diagnostiziert.
Im Schuljahr 2014/15 wurde rund 30.600 Schülern an Pflichtschulen (v.a. Volksschulen, Hauptschulen und Neuen Mittelschulen) SPF wegen körperlicher oder psychischer Behinderung attestiert. 62 Prozent von ihnen gingen - mit zumindest zeitweiser Assistenz durch einen Stützlehrer - in eine Klasse mit nicht-behinderten Kindern. An den AHS-Unterstufen ist der inklusive Unterricht dagegen eine Ausnahme, von den 4.700 Klassen gab es 2014/15 nur in sieben Integrationskinder.
Auch je nach Bundesland sind die Unterschiede recht groß: Die Integrationsquote reicht von 48,4 Prozent in Tirol bis zu 80 Prozent in der Steiermark und 77,9 Prozent in Kärnten. Das Skurrile dabei: Zumindest in der Steiermark und Kärnten war die Quote 2013/14, also vor Festlegung der Modellregionen für die Quasi-Abschaffung der Sonderschule, bereits etwas höher als jetzt (minus 3,4 Prozentpunkte in Kärnten, minus 4,6 in der Steiermark). Nur in Tirol gibt es ein leichtes Plus von 1,9 Prozentpunkten.
Die Inklusiven Modellregionen wurden 2015 in einer „Verbindlichen Richtlinie“ des Bildungsministeriums festgelegt und sehen den „inklusiven Schulbesuch aller Schülerinnen und Schüler mit SPF“ vor. In der Praxis sollen an den Regelschulen die inklusive pädagogische Qualität und die Unterstützungsmöglichkeiten so ausgebaut werden, dass „aussondernde Einrichtungen möglichst nicht mehr gebraucht werden“. Das bedeutet, dass vor Ort spezielle Settings für Schüler mit schweren oder mehrfachen Behinderungen sowie für Kinder mit gravierenden Störungen der sozio-emotionalen Entwicklung geschaffen werden.
Ziel ist es, dass allen Schülern die höchstmögliche Bildung ermöglicht wird. Dazu wird für jeden Schüler mit SPF in Absprache mit den Zentren für Inklusion und Sonderpädagogik (ZIS; früher Sonderschule bzw. Sonderpädagogisches Zentrum/SPZ) ein individuelles Förderkonzept erstellt. Durch Individualisierung und innere Differenzierung - also das Anpassen von Unterricht und Lernmaterialien an die Möglichkeiten der jeweiligen Schüler - sollen auch Kinder mit SPF „nach aller Möglichkeit“ nach dem jeweils passenden Lehrplan und nicht wie sonst üblich nach dem Sonderschullehrplan unterrichtet werden. Ab dem Schuljahr 2016/17 können dazu Schulversuche stattfinden, in denen SPF-Schüler nach einem „lernzieldifferenten Regelschullehrplan“ unterrichtet werden können.
Auch bei der Zuteilung des SPF plant das Ministerium Änderungen: Derzeit gebe es eine hohe SPF-Quote bei Kindern mit Migrationshintergrund bzw. mit Verhaltensproblemen - für das Ministerium ein Indiz dafür, „dass der SPF für die Bereitstellung von Fördermaßnahmen genutzt wird, auch wenn keine physische oder psychische Behinderung vorliegt“. Für die Zukunft soll der Richtlinie nach nur noch dann ein SPF vergeben werden, wenn Schüler eine Behinderung haben. Alle anderen Fördermaßnahmen für Sprache, Lernen, emotionale und soziale Entwicklung seien Kernaufgabe der Schule, hier müssten auch unabhängig vom SPF Ressourcen zur Verfügung stehen.
( 0628-16, Format 88 x 74 mm)