Rechnungshof: Achter Präsident könnte erstmals Präsidentin werden

Wien (APA) - Der achte Präsident des Rechnungshofs seit 1945 könnte die erste Präsidentin sein: ÖVP und FPÖ haben bereits Frauen nominiert, auch bei der SPÖ ist eine Frau im Gespräch. Mit Spannung erwartet wird, ob es wie schon 1992 und 2004 neuerlich einen schwarz-blauen Paarlauf gibt. Die Mehrheitsverhältnisse im Hauptausschuss des Nationalrates würden das zulassen.

Ursprünglich wurden die Präsidenten des Rechnungshofes auf unbestimmte Zeit gewählt - die aktuelle Begrenzung auf eine einzige, zwölfjährige Amtsperiode wurde erst mit der Verfassungsnovelle 1986 eingezogen. Rekordhalter Jörg Kandutsch (1964 bis 1980) wird also nicht mehr zu übertrumpfen sein.

Der Rechnungshofpräsident mit der bisher kürzesten Amtszeit war Leopold Petznek (SPÖ). Der Lehrer und langjährige Vizepräsident des niederösterreichischen Landtages amtierte von 1945 bis 1947. Sein Nachfolger Josef Schlegel (ÖVP), früherer christlich-sozialer oberösterreichischer Landeshauptmann, legte das Amt nach nicht einmal sechs Jahren unter Rücksicht auf sein hohes Alter (84) zurück.

Mit Hans Frenzel (1953 bis 1964) führte zum bisher letzten Mal ein Vertreter der SPÖ das Kontrollorgan des Parlaments. Er war zuvor Minister für Volksernährung und Vizepräsident des Rechnungshofes gewesen. Danach folgten zwei FP-Politiker: Jörg Kandutsch (1964 bis 1980), zuvor u.a. FP-Klubobmann im Nationalrat, und Tassilo Broesigke (1980 bis 1992), Wiener Landesobmann der FPÖ.

Die Beförderung von Rechnungshof-Vizepräsident Franz Fiedler ins Präsidentenamt wurde 1992 zur Belastungsprobe für die Große Koalition, weil die ÖVP die SPÖ überstimmte und ihren früheren Klubsekretär mit Hilfe der FPÖ durchsetzte. Auch sein Nachfolger Josef Moser, zuvor FP-Klubdirektor im Parlament und ÖBB-Manager, wurde 2004 mit schwarz-blauer Mehrheit bestellt - allerdings befand sich die SPÖ damals in Opposition.

Nicht Wenige in der SPÖ befürchten, dass sich das Szenario von 1992 heuer wiederholen könnte. Denn die von der ÖVP nominierte Budget-Sektionschefin Helga Berger könnte als frühere Mitarbeiterin in FP-Regierungsbüros durchaus mit blauem Stallgeruch aufwarten (wenngleich sie, wie auch ihr langjähriger Chef Moser, kein Parteimitglied wurde). Im Hauptausschuss des Nationalrats verfügen ÖVP und FPÖ genau über die Hälfte der 28 Mandate, könnten also jeden Beschluss gegen ihren Willen blockieren.

~ Rechnungshof-Präsidenten seit 1945

Angelobt Präsident Nominiert von

1945 Leopold Petznek SPÖ

1947 Josef Schlegel ÖVP

1953 Hans Frenzel SPÖ

1964 Jörg Kandutsch FPÖ

1980 Tassilo Broesigke FPÖ

1992 Franz Fiedler ÖVP

2004 Josef Moser FPÖ

Quelle: Rechnungshof/APA ~ ( 0636-16)