Forscher diagnostizierten rote Flecken auf Da Vincis Selbstporträt
Schuld an dem Phänomen sind Pilze, die auch alte Bücher und Mumien befallen, fanden Wiener Forscher heraus.
Wien – Das Selbstporträt von Leonardo Da Vinci ist wie mit Masern von rötlichen Flecken überzogen, die größer und mehr werden. Schuld daran sind Pilze, die auch alte Bücher und Mumien befallen, fanden Wiener Forscher heraus. Ihre Stoffwechselprodukte können die Flecken sogar weiter verursachen, wenn die Pilze schon tot sind, berichten sie im Fachmagazin „Environmental Microbiology Reports“.
Es ist zwar weder ganz sicher, ob das Bild wirklich von Leonardo gemalt wurde und ob es ihn tatsächlich darstellt. Dennoch ist das mit Rötel auf Karton gezeichnete Bild des alten Mannes mit Bart, der gedankenvoll unter seinen langen Augenbrauen am Betrachter vorbei sieht, eines der wertvollsten der Welt. 2012 wurde es von der Biblioteca Reale aus Turin in einem Konvoi von Panzerwagen schwer bewacht zur Untersuchung nach Rom gebracht. Mittlerweile steht die Diagnose fest - und sie ist laut Kunstexperten alles andere als erfreulich.
Flecken zerstören zwar nicht, aber verschandeln
Sie nennen die Krankheit „Foxing“. Ihre Ursachen waren bisher kaum verstanden. Vor allem war es unklar, ob es sich dabei um ein chemisches oder biologisches Phänomen handelt, erklärte Guadalupe Pinar vom Institut für Biotechnologie der Universität für Bodenkultur Wien im Gespräch mit der APA. Zwar zerstört „Foxing“ nicht das Papier oder die Kreidestriche, doch die altersbedingten Flecken verschandeln das Bild und könnten Leonardos Bildnis in Zukunft sogar unkenntlich machen.
„Es war von mikroskopischen Untersuchungen klar, dass Pilze in den ‚Foxing‘-Flecken sind, aber man konnte sie nicht kultivieren“, sagte Pinar. So wurde beschlossen, die Pilze molekularbiologisch zu untersuchen und ihre DNA zu analysieren, wie es etwa in der Forensik geschieht. Dazu wurden unterschiedliche, kleine Membranen vorsichtig auf das Porträt gelegt, mit Wattetupfern festgedrückt, damit Partikel der „Foxing“-Flecken daran haften bleiben, und mit einer Pinzette wieder abgenommen.
Pilze wachsen langsam, überdauern aber lange Zeiträume
Durch diese DNA-Tests, Elektronenmikroskopie und chemische Analysen fanden die Wiener Forscher heraus, dass auf Leonardos Bildnis altbekannte Pilze sind (etwa Eurotium halophilicum oder Phialosimplex), die auch schon in antiken Bibliotheken, auf Mumien in den Katakomben Palermos und einer vor einigen Jahren im Hallstätter Salzbergwerk gefundenen, 3 350 Jahre alten Holztreppe wachsen und Zellulose abbauen. Sie kommen mit sehr wenig Wasser und Nährstoffen aus und überleben daher lange in solch einer kargen Umwelt. Außerdem wachsen sie sehr langsam, überdauern aber lange Zeiträume.
„Damit sie einen Schaden anrichten, müssen die Pilze nicht einmal mehr leben“, erklärte Pinar. Zu ihren Lebzeiten produzieren sie organische Säuren, die etwa die Bildung von Oxalat-Kristallen fördern und damit jene hässlichen Flecken verursachen. Diese Säuren sind so stabil, dass sie das Bildnis noch lange nach dem Tod der Pilze bedrohen.
Wahrscheinlich gibt es auch eine zusätzliche, rein chemische Ursache für das „Foxing“. „Bei der Manufaktur des Papiers entstanden wohl auch Eisen- und Kupfereinschlüsse, die durch Oxidation ebenfalls solche Flecken verursachen können“, so die Forscherin. An solchen Stellen ist wahrscheinlich das Papier ein wenig geschädigt und die Pilze können sich dort leichter festsetzen und weitere Schäden anrichten.
Neben solchen Untersuchungen wurden am Istituto centrale per il restauro e la conservazione del patrimonio archivistico e librario (ICRCPAL) in Rom auch physikalische und chemische Analysen durchgeführt, und alle beteiligten Wissenschafter trafen sich, um einen „Therapieplan“ für Leonardos Bildnis zu erstellen. „Am Ende beschlossen die Restauratoren aber trotz des enormen wissenschaftlichen Aufwands und der Expertise der Experten, es wieder nach Turin mitzunehmen und bloß bei geringer Luftfeuchtigkeit und moderater Temperatur aufzubewahren“ berichtet Pinar. Der Patient bleibt aber weiter in Beobachtung: Sollte sich die Situation ernsthaft verschlechtern, könnte eine wissenschaftlich fundierte Behandlung des wertvollen Konterfeis erfolgen. (APA)