Türkei: Armenien-Resolution belastet Freundschaft zu Deutschland

Ankara/Berlin (APA/Reuters) - Die Abstimmung des deutschen Bundestags über die Resolution zum Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Rei...

Ankara/Berlin (APA/Reuters) - Die Abstimmung des deutschen Bundestags über die Resolution zum Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915-17 stellt nach Einschätzung des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim die Freundschaft zwischen den NATO-Partnern auf die Probe. Es wäre „irrational“, wenn die Abgeordneten für die Resolution stimmten, sagte Yildirim am Donnerstag.

Vor der Abstimmung am Donnerstag rechtfertigte Unionsfraktionschef Volker Kauder das Parlamentsvotum erneut. Die geplante Verabschiedung der Völkermord-Resolution sei ein „Beitrag zur Versöhnung“, sagte Kauder am Donnerstag im ARD-“Morgenmagazin“. „Wir anerkennen auch ausdrücklich, dass die Türkei in der Flüchtlingsfrage Unglaubliches leistet“, betonte Kauder mit Blick auf die scharfe Kritik aus Ankara. „An der Benennung des unsäglichen Leids, das über die Armenier gebracht wurde, kann dies nichts ändern“, fügte der CDU-Politiker hinzu.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland sieht die geplante Armenien-Resolution des Parlaments als „Politshow“ mit negativen Folgen für das ohnehin schwierige deutsch-türkische Verhältnis.

„Durch die Resolution wird eine historische Frage mit der Tagespolitik vermischt, die zunächst wissenschaftlich aufgearbeitet werden müsste“, sagte der Bundesvorsitzende des Verbandes, Gökay Sofuoglu, der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Juristisch und historisch sei das Thema zu wenig beleuchtet.

Die Zentralratsvorsitzende der Armenier, Jaklin Chatschadorian, hat die Abstimmung hingegen als wichtiges Signal bezeichnet. Dass das Parlament mit der Resolution auch die „deutsche Mitschuld“ an den Ereignissen vor mehr als hundert Jahren klar benenne, sei aus historischer Sicht „richtig und wichtig“, sagte Chatschadorian am Donnerstag im Südwestrundfunk (SWR).

Für die Armenier in Deutschland habe die Anerkennung des Massakers an den Armeniern als Völkermord aus zwei Gründen große Bedeutung. Zum einen sei sie die „notwendige Antwort auf die professionalisierte Leugnungspolitik der Türkei“. Zum anderen schaffe sie einen „geschützten Raum für die Erinnerung der Opfer“, sagte Chatschadorian. Die Nachkommen der Opfer kämen durch die Resolution „heraus aus der Position der Rechtfertigung“.

Der Bundestag will noch im Laufe des Tages die von Union, SPD und Grünen getragene Erklärung verabschieden, in der die Ermordung der Armenier während des Ersten Weltkrieges Völkermord genannt wird. Weder Bundeskanzlerin Angela Merkel noch Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Vizekanzler Sigmar Gabriel werden an der Abstimmung teilnehmen. Sie nehmen andere Termine wahr. Die CDU-Vorsitzende Merkel hatte aber am Dienstag in der Unions-Fraktionssitzung bei einer Probeabstimmung für die Resolution gestimmt. SPD-Chef Gabriel hat sie offen unterstützt.

Während des Ersten Weltkrieges beschloss die modernistisch orientierte, nationalistische jungtürkische Regierung des Reiches, die christliche armenische Bevölkerung aus ihren Siedlungsgebieten in Anatolien systematisch deportieren und in Massakern bzw. Todesmärschen durch die syrische Wüste töten lassen. Dabei wurden bis zu 1,5 Millionen Armenier getötet.

Deutschland war im Ersten Weltkrieg ein Verbündeter des Osmanischen Reiches. Deutsche Diplomaten vor Ort wussten von den Massakern, griffen aber nicht ein, was manche Kritiker als „deutsche Mitschuld“ auslegen. Allerdings nahmen Deutsche nicht an der Organisation oder Durchführung des Genozids selbst teil.