Gesundheit

Dem Schicksal die Stirn geboten

Nie mehr Sport, hatte man Joachim Pötschger (l.) prognostiziert. Heute steht der Tiroler vor der Realisierung seines Athleten-Zentrums und trainiert die Prominenz.
© Julia Hammerle

Mit 17 Jahren steht Joachim Pötschger nach einem Mountainbike-Unfall vor dem Nichts: 23 Jahre später trainiert der ehemalige Tiroler Boxer die Prominenz aus Film, Musik und Sport.

Von Daniel Suckert

Seefeld –„Das Schicksal hat mich dahin gebracht, wo ich heute stehe“, sagt Joachim „Jopo“ Pötschger. Er sagt das 23 Jahre nach seinem folgenschweren Sturz mit dem Mountainbike. Ein Jahr lang liegt der Tiroler in der Klinik, kann nicht sprechen, geschweige denn kauen. Zwei weitere Jahre später kämpft er immer noch mit den Folgen des 13-fachen Kieferbruchs. Das Leben, wie er es kannte, ist mit 17 Jahren zu Ende. Heute kennt man den Personal-Trainer in vielen Ecken der Welt – zu seinen Kunden zählen Hollywood-Schauspieler Sylvester Stallone, Schmuse-Sänger Ronan Keating oder Motorsport-Größen wie Mark Webber.

Boxer Wladimir Klitschko
© Jopo

Wenn man mit Pötschger über sein bewegtes Leben spricht, fällt einem sofort seine entspannte Art auf. Der 40-Jährige ruht in sich. Das hat er seinen Erfahrungen zu verdanken. 18 Jahre lang lebt er aus dem Koffer, durfte unter anderem auch New York als seinen Wohnort bezeichnen. Was er dort sieht, prägt ihn nachhaltig: „In den USA habe ich erlebt, wie ein Obdachloser Essen aus dem Müll gefischt hat, während neben ihm zwei Börsen-Spekulanten sich die neuen Rolex zeigten.“

Bilder wie diese vergisst er nicht. Ebenso nicht die Leidenschaft für den Box-Sport. In seiner Jugend steht er nachts heimlich auf, um die Kämpfe von Tyson und Co. im Fernsehen mitzuverfolgen. Es faszinieren ihn die Mechanismen hinter dem Star. „Ich habe mich immer gefragt, ob ein Boxer aufgrund seines Talents oder aufgrund der besseren Vorbereitung und dem Team dahinter gewinnt“, erinnert sich Pötschger gut.

Balletttänzerin Karina Sarkissova
© Jopo

Dabei heißt es nach dem Unfall, er würde nie mehr boxen können. Die Grenzerfahrung verändert ihn grundlegend. Neben dem mehrfachen Kieferbruch erleidet er einen Trommelfell-Riss, Migräne-Attacken gehören zwei Jahre lang zum Alltag. Im buchstäblichen Sinn ein Schlag ins Gesicht, der den leidenschaftlichen Boxer vorerst in die Knie zwingt. „Wenn dir von einem auf den anderen Tag gesagt wird, dass du nie wieder sporteln oder arbeiten kannst, zieht dir das den Boden unter den Füßen weg.“

Sänger Ronan Keating
© Jopo

Ein Auffangbecken stellen seine Eltern dar, die ihn in allem unterstützen. Er zweifelt oft, verzweifelt aber nie – aufgeben kommt nicht in Frage. Er will sich dem Schicksal nicht ergeben, beginnt, sich mit dem menschlichen Körper intensiv zu beschäftigen. Und es tut sich was. Er macht die großen Trainer-Lizenzen in München, wird unter 60 Bewerbern in Monaco in der Health&Fitness Akademie aufgenommen.

Robert Geiss
© Jopo

Wenig später führt ihn sein Weg nach St. Moritz in die Luxus-Hotels. Man kennt ihn, die Mund-Propaganda unter den Stars aus Film, Mode und Sport trägt das Ihrige dazu bei. Bekannt ist er als „der Trainer mit dem schweren Unfall“. Die Trainingserfolge, die seriöse Arbeit und vor allem sein Verständnis für Schmerzen bringen ihn von der Schweiz aus nach Asien und in die USA.

Bis er im vorigen Jahr wieder in die geliebte Heimat zurückkehrt. Pötschger will bei der Familie und der Freundin sein. Beruflich hat er einen Plan: Der Tiroler baut in seiner Heimat ein Athleten-Zentrum (zusammen mit Easymotionskin) in Wildmoos auf. „Ich sehe so viel Potenzial bei uns. Es kommen so viele Stars, weil sie sich hier erholen wollen. Und alle schwärmen von der Schönheit unseres Landes“, weiß der Personal-Trainer.

Das neueste sportliche Projekt nennt sich Manuel Charr. Ein deutscher Schwergewichts-Boxer mit libanesischem und syrischem Hintergrund. Dem wurde vor neun Monaten in den Bauch geschossen, mehrere Notoperationen retteten dem 31-Jährigen das Leben. Charr will zurück in den Ring. Und wer wäre für den Weg zurück besser geeignet als „der Trainer mit dem Unfall?“

Das „Was wäre wenn“ will Pötschger heute nicht strapazieren. Aber eines, davon ist er überzeugt, würde ohne das erlittene Schicksal anders sein: „Ich würde ein oberflächlicheres Dasein pflegen, davon bin ich überzeugt.“

Der tägliche Blick in den Spiegel dient nicht nur dem Aussehen, sondern auch der Erinnerung: „Ich trage den Bart nicht aus modischen Gründen. Sie verdecken meine Narben.“ Narben, die ihm ein anderes, erfüllteres Leben ermöglichen.

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