Tusk fordert Abschied von „utopischen Träumen“ Europas
Ein Triumph anti-liberaler und euro-skeptischer Kräfte müsse jedoch verhindert werden, es gäbe „keine schlimmere Vorstellung für die europäische Wirtschaft“, sagte der EU-Ratspräsident.
Brüssel - Drei Wochen vor dem britischen EU-Referendum hat EU-Ratspräsident Donald Tusk dazu aufgerufen, dass sich die Europäische Union von „utopischen Träumen“ verabschiedet. „Schwärmerische und vielmehr naive Euro-enthusiastische Visionen einer totalen Integration aufzuzwängen“, sagte er am Mittwochabend in Brüssel, „ist keine geeignete Antwort auf unsere Probleme.“
„Erstens, weil es einfach nicht möglich ist und zweitens, weil es - paradoxerweise - nur zur Stärkung von euroskeptischen Stimmungen führt, wenn man sie vorantreibt, nicht nur im Vereinigten Königreich“, erklärte Tusk beim Europäischen Business Summit laut Redetext.
Die Flüchtlingskrise habe gezeigt, wie schwierig es sei, sich auf eine gemeinsame europäische Antwort zu verständigen. „Die größte Bedrohung für Europa sind Selbstzweifel und mangelnde Energie im pro-europäischen Mainstream, im Gegensatz zur exzessiven Energie unter den Radikalen und Extremisten“, sagte Tusk. Ein Triumph anti-liberaler und euro-skeptischer Kräfte müsse verhindert werden, es gäbe „keine schlimmere Vorstellung für die europäische Wirtschaft“. Bedingung dafür sei aber, „sich von utopischen Träumen zu verabschieden und sich auf praktische Aktionen zu konzentrieren, wie die Verstärkung der EU-Außengrenzen und die konsequente Vollendung der EU-Bankenunion“.
Juncker: „Zu viel Europa tötet Europa“
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte unterdessen in einem Interview mit „Spiegel-Online“ vom Mittwoch: „Ich glaube, zu viel Europa überall endet damit, dass es Europa tötet. Genauso würde aber auch zu wenig Europa Europa töten.“ Juncker weiter: „Die EU-Kommission ist unbeliebt - aber Europa ist es nicht. Allerdings wird die Kommission oft mit Europa gleichgesetzt. Es gibt eine Abwendung, weil wir es versäumt haben, uns auf die großen Fragen zu konzentrieren, und uns gleichzeitig zu sehr in die Probleme der Staaten und Regionen einmischen“. (APA)