Landestheater

Muss man sein Liedl singen?

© Rupert Larl/TLT

Am Tiroler Landestheater wird seit Samstag „Himmelsgeigen und Höllenfeuer“, ein Stück über Jakob Stainer mit der Musik von Heinrich Ignaz Franz Biber, gezeigt.

Von Ursula Strohal

Innsbruck –Jakob Stainer und kein Ende, aus dem Wissensmangel um den Absamer Geigenbauer Kapital zu schlagen. Weder sein Geburts- noch sein Todesdatum (ca. 1617 bis 1783) ist in den Pfarrbüchern eingetragen. Er stammte aus einer Familie von Salzbergarbeitern in Absam, und wo er das Handwerk des Geigenbaus gelernt hat, ist unbekannt. Um 1640 war Stainer in Italien, die Legende führt ihn nach Venedig, jedoch war es mit ziemlicher Sicherheit das Violinbau-Zentrum Cremona, wo der junge Tiroler, bereits Geselle, sich vervollkommnete und einen eigenen Stil fand.

1645 kehrte er zurück, richtete in Absam eine Werkstatt ein und heiratete Margarethe Holzhammer. Das Musikleben am Hof zu Innsbruck unter dem kunstliebenden Erzherzog Ferdinand Karl und am königlichen Damenstift zu Hall sicherte Aufträge. Stainer wurde berühmt und der helle, tragende Ton seiner Geigen zum barocken Klangideal. Einen Ketzerei-Prozess stand er 1669 mit seinem starken Selbstbewusstsein durch.

Stainer lieferte seine Geigen, Bratschen, Kontrabässe und Gamben u. a. auch an die Hofmusiken in Salzburg, München, Nürnberg, Brixen, an große Klöster und nach Italien. In Olmütz, wo der Komponist und Geiger Heinrich Ignaz Franz Biber Kammerdiener des Fürstbischofs war, hieß es über den Tiroler: „Er setzt seinen Kopf auf und will man seine Geigen haben, muss man sein Liedl singen.“ Stainers Arbeitskraft hielt an, bis 1683 eine Gehirnkrankheit zum Tode führte.

Die Geigerin und Dirigentin Anna-Sophie Brüning, mit Bibers Werk vertraut, und die Librettistin und Regisseurin Paula Fünfeck, die Stainer für sich entdeckte, brachten nun am Tiroler Landestheater die Künstler zusammen. Ein barockes Opernpasticcio nennen sie ihr Machwerk „Himmelsgeigen und Höllenfeuer“. Brüning hat den besseren Part, da sie sich aus Bibers musikalischer Wunderkammer bedienen kann und mit Annedore Oberborbeck eine virtuose, einfühlsame und stilistisch adäquate Geigerin präsentieren kann. Weil Stainer hier nach Venedig geht, gibt es Lokalkolorit, und Claudio Monteverdis „Zefiro torna“ verleiht mit seinem unwiderstehlichen rhythmischen Schwung der Begegnungsszene Stainer-Biber unerwartet Qualität. Reich vertreten, wenn auch mit verändertem Text, ist Bibers einzige Oper „Chi la dura la vince“ – sie zur Gänze und original zu hören, wäre den Abend wert gewesen. Das Ensemble des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck ist trotz einiger guter Bläsereinsätze bei Weitem kein Barockensemble, es fehlt nicht nur an Geschmeidigkeit.

Auf der Habenseite noch die gute Besetzung mit Johannes Wimmer (Stainer) sowie Sophie Mitterhuber, Marc Kugel, Philipp Meraner, Daniel Raschinsky, Diana Selma Krauss, Peter Thorn und Jannis Dervenis in verschiedenen Rollen. Chor, Extrachor, Statisterie und die Wiltener Sängerknaben, mit Begeisterung dabei, bedeuten viel Aufwand.

Szenisch weiß keiner wohin mit dem Stück. Oper, Operette, Jugendbühne, musikalisches Lustspiel, Schauspiel, Schulaufführung mit ihren Variationen der Flatulenz, Zitate (Ferdinand Karls Taufe), von allem zu wenig und zu viel. Und überstrapazierend lang. Elke Schlottermüllers Bühnenbild rettet manchmal, Michael D. Zimmermann steuert die Kostüme bei.

Der Text ist großteils unsäglich. „Machst du mir nicht heute Ehre, machst als Brennholz du Karriere“, sagt Steiner zum Geigenholz. Seine Ehefrau Margarethe zum lästigen Verehrer: „Lasst mich endlich in Frieden, wir sind gänzlich verschieden.“ Und scheppert reimt sich auf deppert. Genau.

Ein bisschen nettes Kindertheater, Stainer-Klischees halbwegs in Zaum gehalten und rundum blühend, und in der endlosen Schlussapotheose feiert sich das Gebastel als Barockoper. Auf welchem Niveau glauben die Macher, das Publikum in dieser Residenz der Alten Musik abzuholen? Das hätte nicht passieren dürfen.

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